Komme, was Wolle
weißt du, aber ich glaube nicht, dass Gladys das groß gestört hat. Sie war immer schon ein wenig flatterhaft, wenn du mich fragst. Ständig nächtelang unterwegs.«
Irgendwie kann ich mir Gladys Tilling nicht so recht vorstellen, wie sie ständig nächtelang unterwegs ist. Sie muss mindestens so alt sein wie Gran, und Gran wird nächstes Jahr immerhin achtzig.
»Tatsächlich? Wann war das?«
»Im Krieg, Liebchen, sie hatte eine Vorliebe für die Amerikaner, die bei uns stationiert waren. Sie und May Prentice, sie sind zu jeder Tages- und Nachtzeit mit ihren Nylons in der Handtasche zurückgekommen, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Klingt, als hätten sie Spaß gehabt.«
»Schon, aber nicht mit ihrem Ted da unten in der Wüste und Schrapnellsplittern im Kopf. Also, er war ja schon vorher nicht der Hellste, aber er hat sich sehr gut gehalten. Du würdest doch annehmen, ein Kopf voller Metallstücke und das war’s, aber er hat noch jahrelang gelebt, und er konnte dir immer sagen, ob schlechtes Wetter im Anmarsch war. Also, ich hoffe nur, dass sie glücklich ist in Australien, weil es doch ein langer Weg ist in ihrem Alter, auch wenn deine Tochter einen Swimmingpool hat und jeden Abend grillt. Ich würde im Leben nicht so weit fahren nur für ein Würstchen. Soll ich mit anfassen, Schatz?«
»Nein danke, Gran, geht schon. Die Umzugsleute müssen jeden Augenblick hier sein.«
»Ja, und pass bloß auf, dass sie nichts Wertvolles mitgehen lassen – damit sind sie immer ganz fix.«
»Da hätten sie bei mir ihre liebe Mühe, Gran, es sei denn, sie stehen auf Lego.«
»Also, ich werde sie im Auge behalten, man liest es immer wieder in der Gazette. Sie tun erst ganz freundlich, und sobald du ihnen den Rücken kehrst, machen sie sich schneller über deine Handtasche her, als du ›haltet den Dieb‹ rufen kannst.«
Archie und Jack kichern.
»Ihr seid wahrscheinlich müde von der Fahrt, nicht wahr, meine Lämmchen? Kommt mit, woll’n mal sehen, ob Granny nicht was Feines für euch in ihrer Tasche hat.«
Na toll. Noch mehr Süßigkeiten.
Ich schleppe die Taschen aus dem Auto ins Haus und gerate leicht in Panik, weil so viel zu tun ist, während die Jungs im Vordergarten herumtollen und sich mit einem ziemlich überwucherten Ginsterbusch einen Schwertkampf liefern, und dann kommt die Sonne heraus, und ich habe langsam doch das Gefühl, dass schließlich alles gut wird, auch wenn das Haus jetzt, wo Gladys’ Möbel weg sind, sehr viel heruntergekommener aussieht. Wir haben einen großen Vordergarten gegenüber dem Park, und bis zum Laden und zum Meer ist es nicht länger als fünf Minuten, und durch ein Tor gelangt man in den hinteren Garten, der voller überwucherter Blumenbeete und Dornengestrüpp ist. Eine Garage gibt es auch, über die ich besonders begeistert bin, auch wenn sie im Moment noch voller alter Bretter ist. Im Winter nicht Eis kratzen zu müssen ist eine tolle Vorstellung. Obwohl wir wahrscheinlich das Auto hier sowieso nicht so oft benutzen, weil es bis zur Schule durch den Park auch nur zehn Minuten sind, so dass ich hoffentlich sehr viel seltener morgens Auto fahren muss; und die erfrischende Seeluft wird ein Übriges tun, uns morgens wach zu machen. Theoretisch.
Das Haus ist laut Makler eine edwardianische Villa am Meer, aber es hat absolut nichts Großartiges an sich, und jedes Zimmer muss renoviert werden. Alle Wände sind mit Tapeten bedeckt, die noch nicht wieder in Mode gekommen sind und auch nie wieder kommen werden, oder mit schrecklicher, verblasster alter Farbe, die abblättert. Aber es strahlt eine wunderbar solide Atmosphäre aus, und wenn du auf Zehenspitzen im Bad stehst, kannst du das Meer sehen, und in fast allen Räumen gibt es Kamine, so dass wir nicht erfrieren werden, wenn der Boiler den Geist aufgibt. Und an der großen massiven Eingangstür ist ein altmodischer Türklopfer, was mal eine schöne Abwechslung zu der verdammten Klingel im alten Haus ist, bei der ich jedes Mal zusammenzuckte, wenn sie losging. Ich glaube, ein Teil von mir erwartete immer, dass es die Polizei mit weiteren schlechten Nachrichten war.
Nachdem wir drinnen sind, macht sich Gran an die Küchenschränke. Sie hat einen ganzen Eimer mit Putztüchern und Bürsten und Putzmitteln mitgebracht und ist ganz in ihrem Element; sie schnaubt und schrubbt und summt vor sich hin. Sie summt immer vor sich hin, und heute ist es die Marinehymne, aber die geht nahtlos über in Big-Band-Rhythmen, wenn sie etwas
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