Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
war, nur doch Trümmer übrig geblieben. Auf diese Weise hatte er endlich einen neuen erhalten, der jetzt fröhlich kanarienvogelgelb auf der anderen Seite des Schreibtisches einladend leuchtete.
Er reichte ihr wie am Vorabend seine Hand und bemühte sich, ihre Hand, die heute warm und weich war, so lange wie möglich, aber nicht länger als üblich in seiner zu halten. Schließlich sah er sich gezwungen, sie loszulassen, und setzte sich auf seine Seite des Schreibtisches.
»Kaffee?«, schlug er in hoffnungsvollem Ton vor.
»Nein, danke. Ich habe eben erst Kaffee getrunken«, antwortete sie.
So viel dazu.
»Ich sehe hier«, sagte er – wiederum etwas verlegen und kaum wahrheitsgemäß –, während er zerstreut in seinen Papieren wühlte, »dass Sie Catharina Elgh heißen.«
»Ja«, gab sie zu, »aber ersparen Sie mir bitte alle Witze!«
»Was für Witze?«
Hatte sie den mit der Flinte etwa schon gehört?
»Von wegen, die Jagdsaison hätte bereits begonnen und so«, erwiderte sie etwas ausweichend.
Er lachte ausgelassen.
»Das wollte ich auch gar nicht sagen.«
»Nicht?«
Ihre Stimme war aufregend leise, richtig sexy.
»Nein«, er wechselte jedoch sicherheitshalber das Thema, »aber ich habe einige Fragen, die den Vorfall von gestern Abend betreffen.«
Die ganze Vernehmung, die von außen betrachtet mehr einer unbeantworteten Birkhahnbalz glich, ging viel zu schnell.
Sie hatte leider zu ihrer Rolle im Drama des Vortags nicht sonderlich viel hinzuzufügen. Das Ganze war bereits vorbei gewesen, als sie den Shop der Tankstelle betreten hatte.
Es wäre ihm lieber gewesen, wenn sich ihre Unterhaltung mehr in die Länge gezogen hätte. Ihm gefiel der Gedanke, dass sie dort saß und seinen gelben Besucherstuhl wärmte. Leider ergaben sich keine neuen Erkenntnisse, die eine weitere Befragung notwendig gemacht hätten, obwohl er verzweifelt nach verschiedenen Gründen suchte, die ihre angenehme Anwesenheit in seinem unromantischen Dienstzimmer verlängert hätten.
»Wie kam es eigentlich, dass Sie den Shop betreten haben?«, wollte er plötzlich wissen. »Haben Sie nicht mit einer Karte getankt?«
»Doch, aber ich brauchte noch Tampons.«
Sie schlug nicht einmal die Augen nieder, während er selbst merkte, wie sich eine unbehagliche Röte von seinen Ohrläppchen über seine Wangen ausbreitete.
»Ach so«, erwiderte er angestrengt. Unbegreiflicherweise gelang es ihm, den Faden wiederzufinden. »Okay, als Sie eintraten, lebte er da noch?«
»Nein, wenig wahrscheinlich. Wird einem so das Hirn weggeblasen, dann ist immer sofort Feierabend.«
Zwei zu null für die Dame mit dem himmelblauen Kleinstwagen! Vielleicht war es für Kommissar Hill jetzt allmählich an der Zeit, sich zusammenzunehmen?
»Was taten Sie, nachdem Sie die Leiche entdeckt hatten?«
»Ich alarmierte die Polizei über die Notrufnummer.«
»Okay.«
Er machte sich eine kurze Notiz und fuhr dann mit der Befragung fort.
»Haben Sie das Telefon neben der Kasse verwendet?«
»Nein, ich habe in der Tat Fernsehen.«
»Bitte?«
»Ich sehe mir im Fernsehen am liebsten Kriminalserien an. Natürlich habe ich das Ladenlokal vorsichtig wieder verlassen und die Polizei mit meinem Handy verständigt.«
Kommissar Hill hatte heute wirklich keinen guten Tag. Er benötigte wirklich mehr Schlaf, um sein Denkvermögen halbwegs auf Touren zu bringen.
»Haben Sie Lust, mit mir Mittag zu essen?«
Es gelang ihm zumindest, sie mit dieser Frage zu überraschen. Sie lächelte. Allerdings entschuldigend, aber das Lächeln reichte dafür bis zu ihren wachen graublauen Augen.
»Ich muss leider vor elf schon wieder in Lund sein. Aber trotzdem vielen Dank.«
Er stand auf, vollkommen leer, was jede weitere Initiative anging, und es gelang ihm, ohne jedes Missgeschick seinen Schreibtisch zu umrunden.
»Dann will ich Sie nicht weiter aufhalten.«
»Keine Ursache«, versicherte sie ihm.
Es freute ihn, dass nicht nur er an diesem strahlenden Morgen irgendwelche Platitüden aussprach. Natürlich war es keine Selbstverständlichkeit für sie gewesen, sich hier vormittags zur Vernehmung einzufinden. Von Lund nach Helsingborg waren es mindestens hundertzwanzig Kilometer hin und zurück, aber sie tat die Mühe, die es sie gekostet hatte, einfach mit einer Standardphrase ab. Diese Frau hatte einfach Klasse.
Wie am Vorabend streifte sie den Riemen ihrer Tasche so ganz natürlich über die Schulter, genau wie alle anderen jungen Frauen, als seien sie alle mit einer
Weitere Kostenlose Bücher