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Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin

Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin

Titel: Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodil Mårtensson
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herumzukauen und zu spüren, wie das Korn der Waffe in den Gaumen einschnitt, ehe der Schuss endlich abgefeuert worden war?
    Nein, dies war keine erfreuliche Art, einen neuen Tag zu beginnen. Aber schließlich hatte Hill diesen Beruf freiwillig ergriffen.
    Wie hieß er denn eigentlich, dieser Bursche? Das musste irgendwo vermerkt sein. »Sten Andersson« stand da ordentlich in Druckbuchstaben auf dem Deckblatt. Vielleicht war es ja Unsinn, aber manchmal schien ein Name etwas preiszugeben. Er konnte einem einen Anhaltspunkt liefern, was die Staatsangehörigkeit betraf oder die Stellung in der Gesellschaft, oder er konnte auch auf Verbindungen zu Personen hindeuten, die der Polizei bereits bekannt waren oder nach denen gefahndet wurde. Ein Name war immer etwas, woran man die berühmte alte Intuition der Polizisten erproben konnte.
    Ärgerlicherweise sagte ihm aber der Name »Sten Andersson« überhaupt nichts.
    Joansson, der Dienst habende Inspektor und einer der Beamten, die die Arbeit des Reviers koordinierten, steckte unerwartet seinen Kopf durch die Tür.
    Er war einer dieser unverbesserlichen Possenreißer des Reviers, und ihm verdankte Joakim seinen neuen Spitznamen bei den Kollegen. Das war unvermeidlich gewesen – wenn man nun einmal Joakim Hill hieß, wurde daraus unvermeidlich Joe Hill! Ein Name gibt nun mal sehr viel preis.
    Joakim war aber nicht der Einzige, dem die kleinen Sticheleien des Dienst habenden Inspektors auf die Nerven gingen. Freudestrahlend war Joansson eines Morgens ins Zimmer gekommen, hatte Sahlman auf die Schulter geklopft und ihm die Lageberichte in die Hand gedrückt und dazu gesagt: »Die sind für dich, Rushdie!«
    »Rushdie?«
    Knut Sahlman, der normalerweise für seinen Scharfsinn bekannt war, hatte nur selten in seinem Leben so verständnislos ausgesehen.
    »Klar!« Joansson hatte vor Stolz über seine Erfindung gestrahlt. »Sahlman Rushdie, ha ha ha.«
    Ja, ja, das war wirklich sehr lustig gewesen. Vermutlich wähnte er sich auch in Sicherheit, da sich aus Joansson kaum etwas anderes machen ließ als gerade das – Joansson?
    »Hallo, Joe!«, grüßte er jetzt unerträglich munter.
    Wie gehabt stand er mit einem Fuß im Zimmer und mit dem anderen noch auf dem Korridor, denn er war stets in Eile, immer mit einer Mappe oder einem Stapel Papiere auf dem Weg woanders hin.
    Jetzt grinste er wieder so zufrieden wie ein Schuljunge, der einen frisch gefangenen Frosch in der Hosentasche trägt. Er war gekommen, um eine Besucherin anzumelden.
    »Catharina Elgh«, gab er bekannt und verdrehte die Augen viel sagend zur Decke, da ihr Nachname der Schweden liebstes Tier bezeichnete.
    Seiner Gewohnheit zum Trotz trat er jetzt ganz ins Zimmer und bis an Hills Schreibtisch heran, beugte sich über ihn und flüsterte theatralisch: »Ich hoffe, du hast deine Flinte für diesen Elch im Anschlag!«
    Er konnte sich sein Lachen kaum verkneifen und verschwand im selben Augenblick auch schon wieder.
    Es war sie – die Frau mit dem himmelblauen Suzuki.
    Joakim war peinlich unvorbereitet. Er stand viel zu schnell auf, blieb mit seinem Stuhl an der Teppichkante hängen und hätte fast seinen Becher Kaffee über die Berichte auf seinem Schreibtisch gekippt.
    In dieser Mikrosekunde schämte er sich für sein altes, heruntergekommenes Zimmer mit den dunklen, klobigen Fünfzigerjahremöbeln und der düsteren Tapete. Es war schon lange geplant, dass es auf Grund seiner Beförderung renoviert werden sollte. Da es aber um die Staatsfinanzen nicht zum Besten bestellt war, konnte das dauern.
    Und obwohl er die Hoffnung nie aufgegeben hatte, dass die Handwerker wirklich eines schönen Tages vor der Tür stehen würden, verfluchte er einmal mehr die Trägheit der oberen Instanzen. Er fürchtete, dass die Dürftigkeit des Zimmers ein schlechtes Licht auf ihn werfen könnte, und nichts wünschte er sich im Augenblick weniger.
    »Oh, guten Tag«, brachte er gerade noch als kurzen Gruß über die Lippen.
    Jetzt war es wieder so weit! Guten Tag, guten Abend, tschüss! Er war wahrhaftig ein Meister der schnellen, geistreichen Erwiderungen!
    »Bitte setzen Sie sich doch«, fuhr er dann etwas beschämt fort, als seien seine Gedanken laut und deutlich zu hören gewesen.
    Der Besucherstuhl war das neueste und bequemste Möbelstück in seinem engen Büro. Das lag daran, dass er dort vor einigen Wochen einen gewalttätigen Zeitgenossen verhört hatte, und von dem alten Stuhl waren nach der Schlägerei, die der Unterredung gefolgt

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