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Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet

Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet

Titel: Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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barg das Gesicht in den Händen. Sie merkte kaum, daß Antony Fingal das Zimmer verließ. Es schien ihr, als habe sie in dieser Nacht das allerletzte Spiel verloren.

    5

    Als Philip Cantrell an diesem Freitagabend vom Büro nach Hause kam, wirkte er sehr müde und niedergeschlagen. Als er das Hausmeisterpaar vor dem grauen Mietblock stehen sah, machte er einen scheuen Bogen. Er hatte das Gefühl, daß sie ihm spöttisch entgegenblickten. Er glaubte, sie hinter seinem Rücken tuscheln und lachen zu hören. Sie haben recht, wenn sie mich verhöhnen, dachte er bitter. Ich bin kein Mann, der Achtung verdient. Wer sich so behandeln läßt wie ich, wird mit vollem Recht ausgelacht. Er schlich grußlos durch die Tür und trat kurz nachher in seine Wohnung ein, die zur Rechten im Erdgeschoß lag. Im Flur schlug ihm unangenehme Kühle entgegen. Linda hatte weder gelüftet noch aufgeräumt. Sie war wieder einmal weggegangen, ohne sich um ihn zu kümmern. Auf der Spiegelgarderobe entdeckte er einen Zettel. „Komme erst spät in der Nacht zurück. Du brauchst nicht auf mich zu warten. Dein Abendessen steht im Eisschrank. Linda.“
    Sie macht es sich verdammt einfach, dachte Philip Cantrell ergrimmt. Ich sollte endlich den Mut haben, ihr die Tür zu weisen. Die ganze Nachbarschaft weiß bereits, wie schamlos sie mich betrügt. Der Appetit auf das Abendessen war ihm gründlich vergangen. Er legte seine Aktentasche auf den Garderobentisch, dann nahm er Hut und Schirm und lief hastig aus der öden Wohnung. Eilig ging er die Straße hinunter und hielt den Kopf tief gesenkt, um niemand sehen und grüßen zu müssen. An der Ecke der langen Fahrbahn lag seine Stammkneipe, in der er seit Monaten jeden Abend verkehrte. Sie war sein zweites Zuhause geworden. Er hatte keine andere Heimat mehr. Ich werde hier noch völlig versumpfen, dachte er. Aber was schadet das schon! Der eine klettert hinauf, der andere fällt herunter. Ich gehöre eben zur zweiten Sorte. Er trat in den rauchigen Saloon ein und ging geradewegs aufs Büfett zu.
    „Hallo“, sagte er zu dem behäbigen Wirt. „Ich erwarte heute einen Freund, den ich telephonisch hierher bestellte. Wir haben uns seit Jahren nicht mehr gesehen. Waren früher Kriegskameraden und standen zusammen an der Front. Allan Raymond hat es bis zum Major gebracht. Ich habe noch heute größten Respekt vor ihm. War er schon hier? Hat er nach mir gefragt?“
    „Wer?“ fragte der Wut grinsend.
    „Na, Allan Raymond!“
    „No, hier war niemand. Hoffentlich hast du nicht schon wieder einen Rausch. Wird nicht mehr lange dauern, dann siehst du weiße Mäuse über die Wände klettern.“
    Vom Ofen her, wo die Stammgäste saßen, erklang boshaftes Gelächter. Philip Cantrell duckte sich scheu zusammen und wurde um einige Zoll kleiner. Sein Optimismus war schon wieder verflogen. Wie ein verprügelter Hund schlich er zum nächsten Tisch. Dort ließ er sich nieder.
    „Einen Whisky und ein Bier“, bat er demütig, als bekäme er hier etwas geschenkt. Während er trank, blickte er immer wieder zur Ofenecke hinüber. Dort drüben rissen sie Witze über ihn. Abscheuliche Witze, die verletzen und verwunden sollten. Es ging um seine Frau. Er hörte, daß immer wieder ihr Name genannt wurde.
    Die höhnischen Worte trafen Philip Cantrell wie Peitschenhiebe. Er schwemmte seinen Zorn und seinen Haß mit zahlreichen Schnäpsen hinunter. Sie haben ja recht, dachte er immer wieder. Sie müssen mich für einen Schwächling halten. Wäre ich ein Mann, so hätte ich längst zur Selbsthilfe gegriffen. Um zehn Uhr war Philip Cantrell schon ziemlich betrunken. Aus glasigen Augen stierte er zu seinen Peinigern hinüber. Sie wurden nicht müde, ihn zu verhöhnen. Es mußte ihnen diabolische Freude bereiten, ihn bis aufs Blut zu quälen. Dann plötzlich rissen ihre boshaften Reden ab.. Sie erhoben wie auf ein geheimes Kommando die Köpfe. Alle starrten sie verwundert auf die Tür, die sich eben geöffnet hatte. Ein schlanker, elegant gekleideter Herr stand auf der Schwelle. Er besaß ein schmales, gutgeschnittenes Gesicht und kluge, hellblickende Augen. Alles in allem war er ein Mann, der weit besser ins Hotel Bristol als in diese kleine Kneipe gepaßt hätte. Deshalb glotzte ihn auch der Wirt verwundert an.
    „Was wünschen Sie?“ fragte er steif.
    „Ich bin Allan Raymond“, sagte der Fremde. „Ich werde erwartet. Wo ist Mr. Cantrell?“
    Der Wirt deutet grinsend zum Fenstertisch hinüber. „Sie kennen ihn gar nicht

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