Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet
gräßlichen Ende. Man sollte die Polizei . . .“ „Lassen Sie bitte die Polizei aus dem Spiel“, sagte Antony Fingal eisig. „Gerade Sie sollten die Cops meiden wie die Sünde. Ich hoffe, wir verstehen uns.“
„Was wollen Sie denn von mir?“ fragte Miriam Davis mit schwacher Stimme. „So reden Sie doch endlich!“ „Vielleicht kann ich Sie für den Orchideen-Klub brauchen“, meinte Antony Fingal mit schmierigem Lächeln. „Sie sehen sehr attraktiv aus. Sie wären eine Zierde für das Haus am Ruskin Wall.“
„Nein“, rief Miriam Davis mit abwehrend erhobenen Händen. „Nein, niemals werde ich dieses Haus betreten. Ich weiß, was Dora Gibbon an Ihrer Seite erlebte. Ich weiß, daß Sie ihr das Leben zur Hölle machten. Ich möchte mir ihr bitteres Los ersparen. Sie werden bei mir nichts erreichen, Mr. Fingal.“
„Schade“, seufzte der häßliche Totenschädel mit verdrehten Augen, „wirklich schade, Miß Davis. Nun müssen Sie wieder in die Erziehungsanstalt Trontham zurückkehren. Man wird Ihnen zu den vier Wochen zusätzlich noch ein paar Monate aufbrummen. Und dabei könnten Sie sich das alles ersparen. Im Orchideen-Klub hätten Sie es viel schöner. Sie könnten eine Menge Geld verdienen.“
Die Worte rauschten an Miriam Davis vorüber wie ein schäumender Fluß. Ihre Gedanken liefen gehetzt hin und her. Verzweifelt suchte sie nach einem rettenden Ausweg. Er will mich erpressen, dachte sie gepeinigt. Er glaubt, mich fest in der Hand zu haben. Er wird seine Drohungen wahr machen. Entweder füge ich mich seinen Wünschen, oder er wird mich der Polizei ausliefern. Ich muß weg von hier. Ich muß heimlich verschwinden. Jetzt, noch in dieser Stunde, ehe es zu spät ist.
„Entschuldigen Sie mich einen Augenblick“, sagte sie leise zu dem Mann an ihrer Seite. Ich bin gleich wieder zurück.“
Als sie aufstand, sah sie, daß Antony Fingal einen raschen Blick mit ihrem neuen Chef wechselte. Die beiden kennen sich also, schoß es ihr durch den Kopf. Sie arbeiten zusammen. Sie würden mich solange mürbe machen, bis ich ihnen ins Netz gehe. Aber das soll nicht geschehen. Lieber laufe ich wieder nächtelang durch die Straßen. Sie hastete die Treppe ins Dachgeschoß empor und stürmte in ihre armselige Dachkammer. Mit zitternden Händen nahm sie das Kostüm aus dem Schrank, das sie bei ihrer Flucht getragen hatte. Dann kramte sie ihre Handtasche hervor und ordnete in aller Hast ihre Papiere. Als sie ein leises Geräusch in ihrem Rücken hörte, drehte sie sich erschreckt um. Wie versteinert blickte sie auf die Tür. Ihr Gesicht war in diesem Augenblick blutleer. Fassungslos starrte sie in das knochige Gesicht Antony Fingals. Es wirkte drohend und bösartig. Die Lippen waren brutal verkniffen.
Er wird mich töten, zuckte ein lähmender Gedanke in Miriam Davis auf. Er wird mir das gleiche Ende bereiten wie Dora Gibbon. Er braucht ja selbst keinen Finger zu rühren. Er hat es so leicht. Wie sollte ich mich gegen ihn wehren.
„Wohin wollen Sie?“ fragte Antony Fingal in diesem Moment. „Haben Sie etwa die Absicht, mich zu verzinken ?“
„Nein“, würgte Miriam Davis hervor. „Nein, ich will nur weg. Lassen Sie mich gehen.“
Sie schrie entsetzt auf, als Antony Fingal langsam auf sie zukam. Furchtsam wich sie an die Wand zurück. Krampfhaft hielt sie die Hände gegen das heftig pochende Herz gepreßt. Aber Antony Fingal rührte sie nicht an. Er ging ans Fenster und zog die Vorhänge zurück. „Sehen Sie hinunter auf die Straße“, befahl er rau.
Miriam Davis gehorchte. Sie tat einen zögernden Schritt auf das Fenster zu. Beklommen lehnte sie sich hinaus. Tief unter ihr lag das Madras Viaduct. Die Straße gähnte schwarz und menschenleer.
„Sehen Sie die beiden Männer an der Ecke?“ fragte Antony Fingal lauernd. „Sie würden ständig hinter Ihnen hergehen. Und wenn Sie zum Beispiel Ihren Weg
über die Brücke nehmen würden, die vom Poplar Dock aus über den Row Creek führt, so könnte es Ihnen passieren, daß Sie . . .“
„Hören Sie auf“, schrie Miriam Davis gemartert. „Ich kann es nicht mehr hören. Sie sind ein Teufel in Menschengestalt. Ich wünsche weiter nichts, als daß Sie die Strafe erhalten, die Sie seit langem verdienen.“
„Nur keine Phrasen“, höhnte Antony Fingal in verletzender Schärfe. „Sie werden hierbleiben, verstanden! Ich komme morgen wieder. Vielleicht läßt sich dann besser mit Ihnen reden.“
Miriam Davis sank schluchzend auf einen Stuhl und
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