Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet
fassungslosem Entsetzen. „Wo bleibst du? Komm hierher! Es ist etwas Furchtbares geschehen.“
Allan Raymond stand längst hinter ihm. Aber er schien vor Schreck die Sprache verloren zu haben. Verstört nahm er das gräßliche Bild in sich auf.
„Man hat sie umgebracht“, keuchte Philip Cantrell mit schweißnassem Gesicht. „Sie ist ihrem Liebhaber ahnungslos in die Falle gegangen. Statt der erhofften Liebesnacht erwartete sie hier der Tod.“
Allan Raymond wandte sich schaudernd ab. Er hielt es in der Nähe der Toten nicht mehr länger aus. Es war ihm zumute, als sei der teuflische Mörder noch immer in der Nähe und blickte ihnen höhnisch über die Schulter.
„Wir müssen die Polizei anrufen“, murmelte er dumpf.
Er nahm Philip Cantrell behutsam bei den Schultern und zog ihn mit sich fort. Langsam und schwerfällig verließen sie das Haus. Von der nächsten Telefonzelle aus alarmierten sie die Mordkommission.
7
„Sie hätten den Fall doch lieber selbst übernehmen sollen“, sagte Inspektor Mervan am nächsten Morgen niedergeschlagen zu Kommissar Morry. „Vielleicht hätte sich dann diese gräßliche Bluttat in der vergangenen Nacht gar nicht ereignet. Vielleicht wären Sie imstande gewesen, Sir, den Mord zu verhindern.“
„Take it easy“, murmelte der Kommissar tröstend. „Sie nehmen alles viel zu schwer, Mervan. Der Mord ist nun einmal geschehen. Wir müssen versuchen, ihn mit unseren ganzen Kräften aufzuklären.“
„Zuerst“, meinte Inspektor Mervan entmutigt, „hatte ich einen schwachen Hoffnungsschimmer. Ich glaubte nämlich, das einsame Haus in Plumstead würde mich direkt zu dem Mörder hinführen. Aber dann mußte ich erfahren, daß dieses Haus einem gewissen Mr. Fox gehört, der sich seit einem halben Jahr in den Vereinigten Staaten auf hält. Dem Mörder war diese Tatsache anscheinend genau bekannt. Er lockte sein Opfer in das leer stehende Haus und erwürgte es dort mit einer gelben Seidenschnur.“
„Und das Motiv?“ fragte Kommissar Morry gespannt. „Haben Sie schon ein Motiv?“
„Es gibt zwei Beweggründe für den Mord“, murmelte Inspektor Mervan und blickte dabei immer wieder hilfesuchend zu seinem Vorgesetzten hinüber.
„Erstens könnte Linda Cantrell einen Liebhaber gehabt haben, der ihrer überdrüssig wurde und sie auf diese Weise loswerden wollte. Ihr liderlicher Lebenswandel ist ja bekannt. Aber dieses Motiv scheint mir auf recht schwachen Füßen zu stehen. Viel stichhaltiger ist das zweite: Linda Cantrell verkehrte häufig im Orchideen-Klub am Ruskin Wall. Sie war auch gestern abend dort. Sie traf sich anschließend mit einem Mann in der Venus Bar am Madras Viaduct. Dieser Unbekannte ist mit ziemlicher Sicherheit als ihr Mörder anzusehen. Ich erhielt auch eine Beschreibung von ihm, die aber leider ziemlich ungenau ist. Dieser Mann scheint als Handlanger von dem verdammten Klub eingesetzt worden zu sein. Er mußte den blutigen Schlußstrich ziehen. Die anderen aber haben vorher den Plan ausgebrütet.“
„Welche anderen?“ fragte Kommissar Morry zerstreut.
„Nun, diese Herren im Orchideen Klub. Es ist doch kein Zufall, daß erst vor einigen Tagen Dora Gibbon in den Tod gehen mußte und nun kurz nach ihr Linda Cantrell. Vielleicht wußten die beiden Frauen zuviel von dem geheimnisvollen Treiben dieses Klubs. Vielleicht wollten sie auch nicht mehr mitmachen. Da wurden sie dann eben auf brutalste Art und Weise ausgeschaltet.“
Kommissar Morry spielte gedankenvoll an seiner Armbanduhr herum.
„Ihre Annahme hat viel für sich“, meinte er anerkennend. „Haben Sie diesen Antony Fingal schon etwas unter die Lupe genommen? Er scheint doch der Chef dieses Klubs zu sein.“
„Leider kam ich an ihn bisher noch nicht heran“, brummte Inspektor Mervan achselzuckend. „Ich war schon einige Male in seiner Wohnung, aber da war der Vogel immer ausgeflogen. Das Klubgebäude am Ruskin Wall möchte ich mir heute nacht vornehmen. Habe ich dafür Ihre Erlaubnis?“
Morry nickte. „Nehmen Sie Wachtmeister Offort mit“, riet er. „Der Mann ist sehr gewissenhaft und umsichtig. Und noch etwas, Mervan! Bleiben Sie hinter diesem Mädchen her, das zusammen mit Dora Gibbon aus der Erziehungsanstalt Trontham flüchtete. Die Kleine hat bestimmt allerhand von ihrer Freundin erfahren. Sie könnte Ihnen vielleicht manches erzählen.“
„Gewiß, Sir“, sagte Inspektor Mervan und verbeugte sich höflich. Kurz darauf erhob er sich und ging wortlos aus dem
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