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Kommissar Morry - Der Judas von Sodom

Kommissar Morry - Der Judas von Sodom

Titel: Kommissar Morry - Der Judas von Sodom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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letzten Sekunden ihres Lebens an Kate Hugard denken mußte. Es war der gleiche Mann, dachte sie in später Erkenntnis. Die gleiche Stelle, der gleiche Judaskuß vor dem Tode. Dasselbe qualvolle Ende. Ihre Gedanken verwirrten sich, verflochten sich zu gespenstischen Visionen. Sie hatte das Gefühl, von den Klauen eines wilden Tieres angefallen zu werden. Sie glaubte die Pranken einer fauchenden Bestie an ihrem Hals zu spüren. Zwei Sekunden später war auf einmal alles aus. Stephanie Malet empfand keine Qualen mehr. Alle Empfindungen waren wie ausgelöscht. Der Tod selbst war eigentlich gnädig. Er behandelte sie sanft und schonend. Er trug sie leise in jenen unbekannten Abgrund, von dem bis heute niemand weiß, ob es eine Wiederkehr gibt oder nicht, ob er das Ende aller Dinge ist, oder ein neuer Anfang.

    5

    Kommissar Morry saß völlig ahnungslos am Schreibtisch in seinem Dienstzimmer, als plötzlich das Telefon schrillte. Das war an sich nichts besonders Aufregendes. Der Apparat läutete mindestens hundertmal an jedem Tag. Dennoch hatte Kommissar Morry eine fast hellsichtige Ahnung, als er den Hörer abnahm. Er murmelte hastig seinen Namen. „Wer spricht?“ fragte er ungeduldig. Es war der Spitzel Chris Longman. Er rief von einer öffentlichen Sprechzelle aus an. Er murmelte gedämpft und abgerissen, als hätte er einen heimlichen Lauscher zu fürchten.
    „Was gibt es?“ fragte Morry atemlos.
    „Einen neuen Mord, Sir. Einen Mord am Sodom Wall.“
    „Wie bitte?“ rief Morry entgeistert.
    „Es ist so, wie ich sage, Sir. Ich kann Ihnen am Telefon nicht alles erklären. Ich muß Sie persönlich sprechen.“
    „Können Sie hierher kommen?“ fragte der Kommissar rasch.
    „No, Sir! Sie wissen doch, wie gefährlich es für mich wäre, wenn ich beobachtet würde. Machen Sie einen anderen Vorschlag.“
    Kommissar Morry blickte auf die Uhr. Es ging auf den Mittag zu. Es war Zeit zum Lunch.
    „Kommen Sie in Cobblers Imbißstube am Charing Croß. Ich werde dort auf Sie warten. All right?“
    „All right!“ klang es leise zurück. Dann wurde aufgelegt. Die Leitung war tot.
    Morry schob brüsk seine Akten zur Seite. Er konnte im Moment nicht Weiterarbeiten. Alles in ihm war in Aufruhr. Diese Mädchenmorde am Sodom Wall waren das schlimmste, was er in seiner Laufbahn je erlebt hatte.
    „Ein Mörder, der mitten unter uns ist“, murmelte er finster, „greift sich ein Opfer nach dem anderen, ohne daß ihn jemand bei seinem schändlichen Tun ertappt. Er hat anscheinend hundert Namen und tausend Gesichter. Die Mädchen umschwirren ihn wie die Motten das Licht. Was muß das für ein Mann sein, auf den sie alle hereinfallen?“
    Er nahm Hut und Mantel aus dem Schrank, gab der Sekretärin im Vorzimmer noch ein paar Anweisungen, dann ging er rasch die Haupttreppe des großen Gebäudes hinunter. In erregter Hast schritt er über das Victoria Embankment. Dicht neben der U-Bahn-Station am Charing Croß befand sich Cobblers Imbißstube. Es war ein modernes Lokal mit Selbstbedienung. Es gab weder einen Kellner, noch neugierige Büfettdamen. Jeder Gast versorgte sich selbst aus einem Automaten.
    Morry nahm an einem abgelegenen Marmortisch Platz. Zwei Sandwiches und ein Glas Bier waren seine ganze Mahlzeit. Er hatte eben den ersten Schluck genommen, da tauchte Chris Long- man in der Tür auf. Sein hohlwangiges Gesicht, das ewig an einen Totenschädel erinnerte, war bleich und übernächtigt. Seine Augen liefen unstet hin und her wie die Lichter einer gehetzten Ratte. Er schlich auf leisen Sohlen durch das Lokal. Er bewegte sich völlig lautlos. Als er am Tisch des Kommissars Platz nahm, behielt er seine speckige Kappe auf. Tief zog er den Kopf zwischen die Schultern.
    „Was haben Sie mir zu melden?“ fragte Morry nervös. „Schießen Sie los!“
    „Wir waren heute Nacht hinter den elf Mädchen aus der Austern Bar her, Sir. Wir hielten uns streng an Ihren Befehl. Ließen die Girls nicht aus den Augen. Begleiteten sie sozusagen bis in ihre Bettchen.“
    „Welch ein Unsinn“, knurrte Morry ärgerlich. „Wie konnte dann etwas passieren?“
    „Das ist mir auch ein Rätsel, Sir“, hüstelte Chris Longman und rieb sich ratlos das unrasierte Kinn. „Da waren die sieben Girls, die alle zusammen in der Artistenpension am Mill Market wohnen. Sie gingen nach der Vorstellung gleich nach Hause. Steff Milligan begleitete sie heim, ohne daß sie etwas davon merkten. Es gab keinerlei Zwischenfälle.“
    „Weiter!“
    „Wir nahmen uns

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