Kommissar Morry - Der Judas von Sodom
zur Hand.
„Die Spitzel aus dem Bouillonkeller versagen diesmal“, brummte er tonlos. „Ist ja auch kein Wunder. Sie kommen an die Mädchen nicht richtig heran. Diese Girls lassen sich lieber von einem Mörder begleiten als von einem schäbigen Strolch wie Chris Longman. Weiß der Teufel, warum man mir nicht endlich die Assistentin bewilligt, um die ich vor drei Tagen gebeten habe. Nur eine Frau vom weiblichen Detektivcorps könnte die Mädchen so beschatten, wie es nötig ist. Aber eine solche Hilfskraft will man mir absolut nicht bewilligen.“
„Sie täuschen sich, Sir“, warf Inspektor Rhonda ein. „Die junge Dame ist bereits eingetroffen. Sie wartet drüben in der Aufnahmekanzlei. Ich vergaß ganz, es Ihnen zu melden. Man wird eben ganz konfus von diesen ewigen Aufregungen.“
Morry stand polternd auf. „Los!“ fauchte er verärgert. „Holen Sie die Dame hierher. Möchte sie gleich in ihre Aufgabe einweisen. Je eher sie ihren Dienst antritt, desto besser.“
Zehn Minuten später erschien eine junge Dame von etwa fünfundzwanzig Jahren auf der Bildfläche. Sie hieß Angela Sirion, wie sich herausstellte. Sie war seit fünf Jahren bei der weiblichen Polizei und hatte es immerhin zum Sergeanten gebracht.
„Kommen Sie doch näher, Miß Sirion“, sagte Morry höflich. „Nehmen Sie Platz!“
Während sie an den Schreibtisch herankam, fing er einen bewundernden Blick aus ihren grauen Augen auf. Sie war offensichtlich begeistert, einem so berühmten Detektiv als Assistentin zugeteilt zu werden. Immer wieder blickte sie den Kommissar voller Verehrung an. Morry war indessen viel weniger begeistert von seiner neuen Helferin. Er hatte erwartet, daß man ihm ein hübsches Mädchen ins Zimmer schicken würde. Zumindest aber eine junge Dame mit flottem Äußerem und Charme. Statt dessen sah er sich einem blassen Geschöpf gegenüber, das eine häßliche Nickelbrille über den grauen Augen trug. Die hellen Flachshaare hatten noch nie die Hand eines Friseurs gesehen. Sie waren in der Mitte gescheitelt und straff nach hinten gekämmt. Auch die Kleidung war reizlos und altjüngferlich. Der Mantel fiel vorne so glatt ab wie hinten. Von einer Figur war überhaupt nicht zu sprechen.
Miß Sirion saß auf ihrem Stuhl wie ein zweigeteiltes Bügelbrett. Enttäuscht murmelte Morry ein paar unverständliche Worte vor sich hin. Wäre es nach ihm gegangen, so hätte er Angela Sirion auf der Stelle wieder nach Hause geschickt. Aber der neuerliche Mord an Stephanie Malet verlangte rasches Handeln. Es blieb ihm im Moment keine andere Wahl. Mit dürren Worten erklärte er daher seiner neuen Gehilfin die schwere Aufgabe, die ihrer harrte.
„Geht dieses Amt nicht über Ihre Kräfte?“ fragte er nachher zweifelnd. „Trauen Sie es sich zu, ein Dutzend lebenshungriger Tanzgirls zu beschützen?“
„Unbedingt, Sir“, schnarrte Angela Sirion mit blecherner Stimme. „Zweifeln Sie etwa an meinem können?“
Morry warf noch einmal einen prüfenden Blick auf ihre traurige Gestalt. Er mußte unwillkürlich gähnen. Beinahe wären ihm die Augen zugefallen.
„Na schön“, seufzte er gottergeben. „Wir wollen es miteinander versuchen, Miß Sirion. Viel Hoffnung habe ich allerdings nicht.“
„Ich schon“, sagte das reizlose Mädchen und schenkte ihm wieder einen ihrer anbetenden Blicke.
6
Am Abend dieses grauen Herbsttages saß Chris Longman mit seinen Freunden beim Suppenwirt am Sodom Wall. Sie hockten in dem muffigen Keller und verzehrten schweigsam eine Portion Erbsbrei mit Wurstscheiben. Als sie ihre Teller leergekratzt hatten, bestellten sie eine Runde Bier und für jeden zwei billige Schnäpse.
„So!“ knurrte Buster Lorre verdrossen, „damit hätten wir den Vorschuß des Kommissars durch den Schlot gejagt. Was jetzt, Freunde? Wann kommt wieder Geld in unsere Kasse?“
„Im nächsten Jahr“, höhnte Steff Milligan und spuckte verächtlich auf den Fußboden. „Von der Polente allein kann man nicht leben, Boys! Müßten uns eben ein anderes Geschäft suchen. Die ewige Zinkerei hängt mir sowieso schon zum Hals heraus.“
„Ich“, sagte Huck Polland, „habe ebenfalls die Schnauze gestrichen voll. Gibt es denn noch ein dämlicheres Geschäft, als ewig hinter diesen verliebten Ziegen herzurennen?“
Chris Longman hatte alle Mühe, seine Kumpane einigermaßen zu beruhigen.
„Denkt an die Belohnung“, zischte er habgierig. „Für die Ergreifung des Mörders wurden dreihundert Pfund ausgesetzt. Wißt ihr,
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