Kommissar Morry - Der Judas von Sodom
zu fragen.“
Bereits drei Minuten später standen Chris Longman und Buster Lorre an der brüchigen Hinterfront des Mulatten Klubs. Sie näherten sich geräuschlos dem Eingang. Wie auf Katzenpfoten schlichen sie in die Gaststube hinein.
Da sie nicht zum erstenmal hier waren, wußten sie sofort, an welchem Tisch sie Platz nehmen mußten, um etwas zu erfahren. Die Farbigen wußten sicher nichts. Man mußte sich schon an die Bosse dieses seltsamen Klubs wenden.
Aus diesem Grund steuerten Chris Longman und Buster Lorre geradenwegs auf jene Ecke zu, wo die Häupter der Schieber versammelt waren.
Zwei dicke Bullen mit wäßrigen Augen und breiten Stiernacken führten das große Wort. Sie hießen Felix Humper und Spencer Marshall. Finster und feindselig stierten sie den Schnüfflern entgegen. Ihre Augen verengten sich zu stechenden Schlitzen.
„He, ihr stinkenden Ratten“, grollte Spencer Marshall mit dröhnendem Baß. „Möchte euch raten, freiwillig kehrt zu machen. Zinker von eurer Sorte sind hier unerwünscht. Wir lassen uns nicht so einfach aufs Kreuz legen.“
Das war ein schlechter Empfang. Chris Longman zog ängstlich seinen Totenschädel zwischen die dürren Achseln. Er überlegte sich gerade, wie er am besten seine kostbare Haut retten konnte, da entdeckte er zufällig einen gut gekleideten Mann, der sich heimlich durch die Hintertür verdrückte. Er war groß und hochgewachsen; sein Gesicht war fast so dunkelgetönt wie die Visagen der Mulatten.
„Vielleicht war er das?“ zischelte Chris Lcng- man verstohlen. „He, hast du ihn gesehen?“ Buster Lorre nickte. „Los“, raunte er hastig. „Hier können wir sowieso nicht bleiben. Wir machen uns hinter dem Kerl her.“
Sie drehten sich eiligst um ihre eigene Achse und stürmten auf die Hintertür zu. Der dunkle Flur nahm sie auf. Rechts ging es auf den Sodom Wall hinaus, zur Linken führte eine Tür in den geräumigen Hinterhof. Diese Tür stand halb offen. Der Zugwind bewegte sie knarrend hin und her. Chris Longman deutete grinsend auf den schmalen Spalt. „Er hat diesen Weg genommen“, murmelte er heiser. „Schätze, wir werden nichts riskieren, wenn wir mal im Hof ein bißchen nachschauen.“
Sie schlichen durch die Tür. Sie tappten in den düsteren Hof hinaus. Es war finster wie in einem Rattenloch. Über ihnen türmten sich rostige Balkone und vorspringende Dächer. Nackte Brandmauern schlossen den Hof von allen Seiten ab.
„Was jetzt?“ fragte Buster Lorre flüsternd. „Wir stehen hier wie die Kühe. Wo willst du in diesen gottverlassenen Winkeln mit dem Suchen beginnen?“
„Hm. Viel können wir hier nicht ernten“, brummte Chris Longman mürrisch. „Es sieht sich am Anfang immer viel leichter an. Später merkt man dann erst, wie dämlich man . . . “
Er brach ab. Er drehte sich ruckartig um. Er lauschte. Ein stechend schmaler Lichtstrahl glitt über ihn hin, tastete auch Buster Lorre ab und erlosch dann wieder. Ringsum waren schleichende Schritte zu vernehmen. Der ganze Hof war plötzlich von gespenstischem Leben erfüllt. Chris Longman pfiff ängstlich durch die Zähne. Der Boden wurde plötzlich verdammt heiß unter seinen Füßen. Am liebsten hätte er sich in ein Mauseloch verkrochen.
„Eh, wir türmen“, zischte er Buster Lorre zu. „In diesem Hof ist es mir zu unheimlich. Schätze, daß mindestens ein Dutzend Gelbe hier herumschleichen.“
Buster Lorre hörte ihn nicht. Er gab keine Antwort. Er war zu weit entfernt. Anscheinend wollte er das rückwärtige Tor erreichen. So war Chris Longman ganz allein auf sich gestellt, als der Tanz losging. Fünf, sechs katzenhafte Gestalten fielen über ihn her und zerrten ihn zu Boden. Das alles ging so schnell, daß Chris Longman an keine Gegenwehr denken konnte. Hart schlug er mit dem Kopf auf dem Pflaster auf. Er hörte, wie seine Rippen krachten. Über seinen kahlen Schädel lief eine dünne Blutspur.
„Was wollt ihr von mir?“ keuchte er verstört. „Ich habe doch nichts getan. Ich bin unschuldig wie ein...“
Ein brutaler Faustschlag verschloß ihm die Lippen. Rohe Fäuste trommelten auf seinem Kopf herum, daß Chris Longman Hören und Sehen verging. Er bezog eine Tracht Prügel wie nie vorher in seinem Leben. Ständig hatte er das entsetzliche Gefühl, als könnte er sich niemals wieder erheben. Sein Gesicht war blau und verschwollen, die Augen verklebt von Blut. Und noch immer schlugen seine Gegner erbarmungslos zu. Sie kümmerten sich nicht um sein weinerliches
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