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Kommissar Morry - Der Moerder von Richmond Hill

Kommissar Morry - Der Moerder von Richmond Hill

Titel: Kommissar Morry - Der Moerder von Richmond Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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verlangen, daß ich darauf eingehe."
    „Nach, der Heirat bin ich bereit, einen Modus zu finden, der Sie von diesen Sorgen befreit."
    „Können wir uns nicht auf einer anderen Ebene einigen?"
    „Nein, Vickers. Mein Entschluß steht fest. Ich will Ihre Schwester heiraten, und Sie werden mir dabei helfen."
    „Oder?"
    „Oder der Henker bekommt Arbeit."

    *

    Die oft fast spielerisch anmutende Leichtigkeit, mit der Kommissar Morry gewisse Themen und Notwendigkeiten zu behandeln pflegte, weckte bei seinen jüngeren Mitarbeitern nicht selten den Verdacht, daß er die Untersuchungen weniger mit Gründlichkeit, als vielmehr mit einem gewissen genialen Spürsinn führte. Obwohl diese Begabung bei ihm außer Frage stand, war es ein Trugschluß, zu glauben, der Kommissar verzichte auf den soliden Unterbau präziser und möglichst lückenloser Ermittlungen. Auch im Falle von Julia Hopkins ging er ebenso systematisch vor wie seine Kollegen in aller Welt: Er sammelte bienenfleißig Stück für Stück an Material und ruhte nicht eher, bis sich das Bild der Toten und ihre Eigenarten kristallklar abzeichnete. Der Kommissar wußte jetzt ziemlich genau, was für ein Mensch Julia Hopkins vor ihrem Tode gewesen war; er kannte ihre Schwächen, und er war auch über ihre positiven Seiten informiert. Von Anbeginn erkannte er, daß die Vielzahl ihrer Bekanntschaften die Ermittlungen ungemein erschweren mußte. Zum Glück vermochte er sich bei den Nachprüfungen auf so tüchtige Mitarbeiter wie Flavius und May zu verlassen, die ebenso rasch wie gründlich vorgingen und mit sicherem Instinkt das „taube Gestein" auszusortieren pflegten. Die Ermittlungen innerhalb der Theaterleute nahm er selbst vor. Er hörte dabei eine Menge Klatsch und Tratsch, und ihm wurden mindestens zehn „Verdächtige" genannt, die als Mörder in Betracht kämen. Er nahm sich nur in zwei Fällen die Mühe, das Alibi dieser Männer nachzuprüfen; die restlichen acht Fälle erkannte er sofort als läppische Denunziationen. Besonders schwierig war es, die weiblichen Mitglieder der Theatertruppe zu verhören. Sie schwankten zwischen Hysterie, Trotz und Mitteilungsbedürfnis, und jede von ihnen nahm sich enorm wichtig. Er hatte Mühe, aus dem Wust überflüssiger Worte das Wichtige und Konkrete herauszuschälen.
    Die Tatsache, daß man einen Polizisten auf den Stufen zum Theatereingang erschossen hatte, war keineswegs geeignet, die Hysterie der Damen zu beschwichtigen. Sie fühlten sich von Mordgefahren, von Grauen und Verderben umgeben, und einige von ihnen weigerten sich strikt, das Theater zu betreten.
    Eines der Mädchen, das zu diesem kleinen Kreis gehörte, war Monika Craftfield.
    Sie spielte im allgemeinen die jugendliche Naive. Eigentlich war sie noch eine Schauspielschülerin. Sie nahm Unterricht bei einem bekannten alten Mimen, der in seinen besseren Tagen zum Stamm des Old Vic-Theaters gehört hatte. Der Kommissar traf das Mädchen in der elterlichen Wohnung. Zu seinem Erstaunen bewohnten die Craftfields ein großes und vornehmes Haus in Kensington. Wie sich herausstellte, war der Vater Staatssekretär im Außenministerium. Er hielt den Wunsch der Tochter, Schauspielerin zu werden, für eine Marotte, und war überzeugt, daß sie das Ganze bald vergessen und über Bord werfen würde. Morry wurde von dem Butler empfangen, der ihn in das Zimmer des jungen Mädchens führte. Monika Craftfield sah älter aus als die sechzehn Jahre, die sie zählte. Trotzdem wirkte sie strahlend jung und schön. Sie hatte große, lebhafte Augen, eine hohe, weiße Stirn und schwarzes, schimmerndes Haar, das sie entgegen der Mode ziemlich lang trug. Am auffälligsten war ihre Haut. Zart und alabasterweiß bildete sie einen starken Kontrast zu den roten Lippen, dem schwarzen, im Sonnenlicht bläulich aufleuchtenden Haar und dem Graugrün der Augen. Ohne Zweifel war sie bemüht, dem Kommissar durch überlegene Haltung zu imponieren. Sie gab sich betont kühl und damenhaft, als sie ihn mit lässiger Geste zum Sitzen aufforderte. Der Kommissar nahm mit dem Rücken zum Fenster Platz; auf diese Weise vermochte er das Gesicht des Mädchens im vollen Licht zu sehen und auch die kleinste Nuance einer Gefühlsregung wahrzunehmen.
    „Ich muß Sie enttäuschen, lieber Mr. Morry", sagte sie mit ihrer erstaunlich dunklen klangvollen Stimme, „aber ich fürchte, ich kann nichts zur Aufklärung des scheußlichen Verbrechens beitragen."
    Sie saß ihm genau gegenüber; ein Bein hatte sie über das

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