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Kommissar Morry - Der Tod war schneller

Kommissar Morry - Der Tod war schneller

Titel: Kommissar Morry - Der Tod war schneller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Leute gewesen: Nachbarn aus seinem Wohnviertel, Reporter der großen Tageszeitungen, die Kollegen aus seiner Bank. Jeder von ihnen konnte den Zettel gestohlen haben. Er hatte zwar in der Schublade des Nachttisches gelegen, aber es bereitete keine große Mühe, diese Schublade zu öffnen. Wer hatte den Schein? Verdammt, wer hatte diesen grüngelben Zettel in seinen dreckigen Händen und war schon im Besitz des Geldes? Clark Dixon taumelte von einem Entsetzen in das andere. Hatte man den Aufbewahrungsschein nur aus Habgier geraubt? Oder wollte der Dieb den Zettel an die Polizei weiterleiten? Hatte die Polizei die Tasche inzwischen bereits abgeholt? Wußten die Cops schon, daß er, Clark Dixon, den Überfall nur fingiert hatte und im Besitz des geraubten Geldes gewesen war? Clark Dixon fühlte brennenden Schweiß im Gesicht. Er keuchte wie ein Erstickender. Die Bahnhofshalle drehte sich vor ihm wie ein Karusell. Die Polizei, dachte er immer wieder. Man sucht bereits nach mir. Man wird mich hier verhaften, wenn ich nicht rechtzeitig verschwinde. Ich muß doch verreisen, auch ohne Geld. Ich muß mich möglichst rasch in Sicherheit bringen.
    „Eh, Mister Dixon", murmelte plötzlich jemand neben ihm. „Wie ist es? Wollen wir nicht an eine unauffälligere Stelle gehen?"
    Clark Dixon zuckte nervös zusammen. Seine Augen waren groß wie Suppenteller. Entsetzen und Angst standen darin. Gequält krümmte er seinen schmalen Rücken. Mit hündischen Blicken sah er zu Jebb Mackolin auf, der groß und bullig neben ihm stand. Er hatte ein zufriedenes Grinsen im Gesicht. Seine Augen glänzten lüstern und habgierig.
    „Was ist mit dem Moos, Mister Dixon?" fragte er drängend. „Warum holen Sie die Tasche nicht endlich ab? Wir wollen teilen. Lucas Turbin wartet drüben in der Osthalle."
    „Es geht im Moment nicht", würgte Clark Dixon hervor. „Gedulden Sie sich noch eine Viertelstunde, Mister Mackolin. Ich möchte den günstigsten Zeitpunkt abwarten. Sehen Sie den Uniformierten dort drüben? Er schielt schon die ganze Zeit zu mir her. Ich muß warten, bis er weg ist."
    Jebb Mackolin ließ diesen Einwand gelten. Er hegte kein Mißtrauen. „Gut", brummelte er. „Dann gehe ich wieder zu Lucas Turbin hinüber. Wir warten neben dem Erfrischungskiosk in der Osthalle. Kommen Sie so bald wie möglich, Mister Dixon."
    Clark Dixon sah den anderen Weggehen. Er hatte eine kurze Galgenfrist gewonnen. Aber was hatte das schon zu bedeuten? Die Tasche, um deretwillen er soviel gewagt hatte, war weg. Damit mußte er sich abfinden. Er war eben ein Pechvogel, den das Schicksal auslachte und verhöhnte. Plötzlich erinnerte er sich an das Geld, das ihm Mary mitgegeben hatte. Es waren immerhin dreihundert Pfund. Damit konnte er bequem nach Schottland reisen und auch einige Tage sorgenlos und in Luxus leben.
    Er mußte jetzt jeden Strohhalm ergreifen. Er besaß nicht mehr viele Möglichkeiten.
    Ohne lange zu zögern, ging er zum Schalter des Reisebüros und verlangte die beiden Schlafwagenkarten, die er unter dem harmlosen Namen Miller hatte reservieren lassen. Er bekam sie anstandslos ausgehändigt. Er mußte vierzig Pfund dafür bezahlen.
    „Danke, Sir", sagte der Mann hinter dem Schalterfenster. „Wünsche angenehme Reise!"
    Clark Dixon stand noch immer regungslos an dem gleichen Fleck. Er überlegte es sich auf einmal wieder anders. Es war ihm eingefallen, daß er unmöglich in der Halle noch länger auf Olga Marat warten konnte. Er mußte sich unauffällig durch die Sperre schleichen. Er durfte Jebb Mackolin nicht noch einmal begegnen.
    „Bitte, heben Sie diese Karte für eine Dame auf, die jede Minute kommen muß", sagte Clark Dixon demütig. „Sie hat sich etwas verspätet. Ich gehe einst= weilen zum Zug. Bitte richten Sie ihr das aus, Sir. Vielen Dank."
    Clark Dixon umkrampfte mit heißen Händen sein Ticket und hastete wie ein Irrer auf die Sperre zu. Um den Uniformierten machte er einen weiten Bogen. Ein verzehrendes Fieber glühte in seinen Adern. Wenn es nur gut geht, dachte er immer wieder. Wenn es nur gut geht. Der Nachtexpreß nach Schottland stand auf Gleis vier. In der Mitte befanden sich die Schlafwagen. Clark Dixon hatte sie bisher nur von außen gesehen. Es war ihm immer wie ein unvorstellbarer Traum erschienen, einmal in einem weichen Bett auf sanften Rädern durch die Nacht zu rollen. Nun besaß er diese Möglichkeit. Er hielt das Ticket für ein Abteil erster Klasse in der Hand. Aber er stieg ohne Freude in den Wagen ein.

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