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Kommissar Morry - Der Tod war schneller

Kommissar Morry - Der Tod war schneller

Titel: Kommissar Morry - Der Tod war schneller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Sein Glück war in ein Nichts zerronnen. Er wollte Jebb Mackolin und der Polizei entrinnen, weiter hatte er keine Gedanken mehr. Der Schlafwagenschaffner nahm ihn in Empfang. Er wies ihm ein fürstliches Abteil an. „Das Coupe nebenan ist ebenfalls für Sie reserviert", meldete er pflichteifrig. „Wann kommt die Dame?"
    Ja, wann kommt sie wohl, dachte Clark Dixon in verzweifelter Niedergeschlagenheit. Sie wird die Pleite vorausgeahnt haben. Sie wußte, daß mit mir nichts anzufangen ist. Ich habe Pech an den Händen. Was will ich mit einer Frau vom Format Olga Marats. Sie bekommt bessere Männer als mich. Dennoch wartete er mit brennender Ungeduld auf sie. Er starrte auf das weißbezogene Bett. Er legte seinen Koffer auf die Abstellbank und hantierte eine Weile daran herum. Doch er besaß im Moment nicht die Geduld, ihn zu öffnen und auszupacken. Er ging statt dessen auf den Bahnsteig hinaus. Gespannt starrte er den wenigen Reisenden entgegen und lief nervös vor dem Schlafwagen auf und ab.
    Drei Minuten noch bis zur Abfahrt des Zuges. Zwei Minuten. Eine. „Bitte einsteigen!" tönte es aus dem Lautsprecher. Clark Dixon spürte, daß ihm Tränen der Verzweiflung in den Augen standen. Er war gehetzt und ausgestoßen. Er hatte durch seinen törichten Streich alles verloren, sein Heim, seine Frau, seine Stellung in der Bank, sein ganzes ordentliches, rechtschaffenes Leben. Und was hatte er dafür eingetauscht? Nichts! Gar nichts. Er fuhr mit leeren Händen in eine ungewisse Zukunft. In eine Zukunft, vor der ihm auf einmal graute. Was wollte er in Schottland? Wo sollte er sich dort verkriechen? Er kannte dieses Land doch gar nicht.
    „Bitte einsteigen und Türen schließen. Der Zug fährt ab!"
    Clark Dixon kletterte hastig das Trittbrett hoch und warf die Tür hinter sich zu. Aus, dachte er. Die letzte Hoffnung ist zerronnen. Olga ist weggeblieben. Sie hat meine Pläne niemals ernst genommen. Er verkroch sich in sein Abteil und riegelte die Tür ab. Er legte seinen Schlafanzug heraus und kroch ein paar Minuten, später in das weich federnde Bett. Da lag er nun und starrte mit leeren Blicken zur Decke empor. Dumpf und eintönig erklang das Rattern der Räder. Es schläferte ein. Aber Clark Dixon tat kein Auge zu in dieser Nacht. Er blieb wach, bis der Expreß die schottische Hauptstadt Edingburgh erreichte.

    4

    Clark Dixon schlug sein Quartier in einem bescheidenen Boardinghouse auf, um möglichst lange mit seinem Reisegeld auszukommen. Vom ersten Augenblick an fühlte er sich unglücklich in der fremden Stadt. Er wagte kaum den Speisesaal zu betreten. Er ging allen Menschen aus dem Wege. Die meiste Zeit des Tages lungerte er an den Zeitungsständen herum. Er kaufte alle Londoner Blätter und las sie gierig von der ersten bis zur letzten Seite. Aber alle Ausgaben brachten nur eine kurze Meldung von dem Überfall auf einen Bankboten der Central Common Bank. Es wurde berichtet, daß man den Boten niedergeschlagen und ihm eine Summe von achtzigtausend Pfund geraubt habe. Sonst keine Zeile. Kein Wort des Verdachtes. Niemand beschuldigte ihn der Untreue. Nirgends war etwas davon zu lesen, daß man die kostbare Tasche inzwischen aufgefunden hatte. Sie war verschollen. Irgend jemand hielt sie in seinen Klauen und machte sich mit dem vielen Geld ein herrliches Leben. Er aber, Clark Dixon, der den ganzen Coup eingefädelt hatte, saß einsam und verlassen in dieser großen Stadt und wußte nicht aus noch ein. Er ging auf ein Postamt und meldete ein Ferngespräch nach London an. Es dauerte ziemlich lange, bis die Verbindung zustande kam. Nervös und ungeduldig ging Clark Dixon vor der Fernsprechzelle auf und ab.
    „Hallo!" rief ihm plötzlich der biedere Postbeamte zu. „London ist da! Nehmen Sie bitte den Hörer ab."
    Clark Dixon stürmte hastig in die Zelle. Er riß den Hörer von der Gabel und preßte ihn fest ans Ohr. „Hallo!" keuchte er in die Muschel. „Hallo! Bist du am Apparat, Olga?"
    Ja, sie war es. Leise tönte ihre spröde Stimme durch den Draht. Clark Dixon war von der ersten Sekunde an wieder in ihrem Bann. Er hätte sein halbes Leben dafür gegeben, wenn sie jetzt hier gewesen wäre.
    „Hallo, ich bin's, Clark Dixon", schrie er in den Apparat. „Ich bin in Edinburgh. Warum warst du denn gestern Abend nicht am Bahnhof? Du hattest es mir doch versprochen."
    „Ich war doch da", sagte Olga Marat gekränkt. „Ich hatte mich leider etwas verspätet. Aber das ist schließlich eine Eigenschaft aller Frauen.

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