Kommissar Morry - Der Tod war schneller
glimmende Zigarette in der Linken. Die Rechte hob sich langsam. Zwischen den Fingern glänzte eine großkalibrige Pistole. Die Mündung richtete sich auf Thomas Bernet, folgte ihm mit jedem Schritt. Zielte ge= nau auf seine linke Kopfhälfte.
Jeden Moment mußte der tödliche Schuß fallen.
Jebb Mackolin schwitzte am ganzen Körper. Heiß schoß ihm das Blut durch die Adern. Sein Herz schlug laut wie eine Trommel.
„Eh, Mister Bernet", schrie er plötzlich laut. „Kommen Sie hierher!"
Der alte Rentner drehte sich verblüfft um. In diesem Moment krachte der Schuß. Hohl brach sich das Echo an den Häuserwänden. Der Widerschein des Mündungsfeuers zuckte rötlich durch den Nebeldunst. Irgendwo schlug klatschend die gefährliche Kugel ein.
„Eh, Mister Bernet!" rief Jebb Mackolin noch einmal.
Der Rentner stand da wie gelähmt. Er bewegte sich nicht von der Stelle. Hinfällig lehnte er an der nächsten Mauerwand.
„Was war das?" fragte er entgeistert, als Jebb Mackolin dicht vor ihm aus dem Nebel tauchte. „Hat der Schuß mir gegolten? Sollte ich etwa . . . jetzt auf dem Heimweg . . . umgebracht . . .?"
„Sie haben es genau erraten", brummte Jebb Mackolin finster. „Was halten Sie auch in Ihrer Kneipe so große Reden? Sie hatten ein unverschämtes Glück, daß ich hinter Ihnen herging. Ich sah den Mörder. Ich konnte Sie gerade noch warnen."
„Mein Gott!" ächzte der Alte. „Ich habe es ja geahnt. Clement Rochester und Cedrick Globe sind schon tot. Sie standen damals neben mir, als der Mörder aus dem Haus Mary Dixons kam. Jetzt bin nur ich noch da, der diesem Teufel gefährlich werden könnte."
„Haben Sie Angst?" fragte Jebb Mackolin trocken.
„Ja", gestand der Alte zitternd.
„Warum verschwinden Sie dann nicht aus dieser gefährlichen Gegend? Sie haben doch eine Menge Geld und können überall einen friedlichen Lebensabend genießen. Denken Sie doch an die gelbe Ledertasche, die Sie in Ihrem Haus versteckt halten."
Der Alte blickte verständnislos auf seinen Retter. „Ich weiß nicht, welche Tasche Sie meinen", stotterte er. „Aber wenn ich wirklich Geld hätte, dann wäre ich längst ausgezogen. Das dürfen Sie mir getrost glauben."
Mehr wollte Jebb Mackolin nicht wissen. Er hatte nur ein wenig auf den Busch klopfen wollen. In Gedanken strich er wieder einen Namen von seiner Liste aus.
Hoffentlich haben die ändern mehr Glück als ich, dachte er, während er sich von dem Rentner entfernte und die Richtung nach Stepney einschlug.
20
Der neuerliche Mordanschlag hatte sich am Pavement in Clapham rasch herumgesprochen. Bereits um neun Uhr am nächsten Vormittag traf Kommissar Morry in dem kleinen Haus der Rentnersleute ein. Er setzte sich in die Küche. Er blickte abwechselnd von Mrs. Bernet zu ihrem Mann hinüber.
„Ziemlicher Schreck für Sie, wie?" sagte er zu der verhärmten Frau. „Es ist schlimm wenn man heute am Pavement in Clapham wohnen muß. Aber zum Teil sind die Bewohner dieser Gegend selbst schuld an ihrem Unglück. Warum sind sie denn nicht zur Polizei gegangen? Warum haben uns diese Leute nicht gesagt, daß sie einen Fremden aus der Wohnung Mary Dixons kommen sahen. Das gilt auch für Sie, Mister Bernet! Warum haben Sie denn bis heute so hartnäckig geschwiegen?"
„Ich sehe ein, Sir, daß es ein Fehler war", murmelte Thomas Bernet kleinlaut. „Ich wollte nur deshalb schweigen, um den Mörder nicht auf meine Spur zu hetzen."
„Er ist aber trotzdem gekommen. Sie wären jetzt tot, Mister Bernet, wenn nicht ein glücklicher Zufall Sie gerettet hätte."
Thomas Bernet kam ins Schwitzen. Er rutschte ruhelos auf seinem Stuhl hin und her. Schuldbewußt äugte er immer wieder auf den Kommissar. „Ich halte nicht viel von Gerüchten, Sir", murmelte er schließlich. „Man hat ab und zu mal was gehört, daß es Mary Dixon mit ihrer ehelichen Treue nicht so genau nahm. Im Milchladen von Clement Rochester wurde darüber gesprochen. Auch im Feinkostgeschäft von Cedrick Globe. Die Leute behaupteten, bei Mary Dixon einen feinen Herrn in der Wohnung gesehen zu haben. Und zwar jedesmal dann, wenn Clark Dixon bei seinen Verwandten auf dem Land war. Aber wie gesagt, Sir! Ich kümmerte mich nicht um dieses Geschwätz."
„Erzählen Sie weiter!" sagte Morry sanft.
„Dann kam jene Nacht, in der Mary Dixon ermordet wurde. Wir standen unten am Hauseingang, Clement Rochester, Cedrick Globe, Mrs. Henley und ich. Wir unterhielten uns über belanglose Dinge. Es war schon spät. Ich
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