Kommissar Morry - Der Tod war schneller
ihn gekannt? Welchen Plan habt ihr zusammen ausgebrütet?"
Jebb Mackolin stürzte verdrossen ein paar Schnäpse hinunter und bequemte sich dann zu einem Geständnis. Er erzählte von dem Überfall in der Clayton Street. Er verschwieg auch nicht, daß der Coup gelungen war und daß sie die gelbe Ledertasche im Gepäckraum der Liverpoolstation aufgegeben hatten.
„Aber dieser Clark Dixon war ein Idiot", schloß er seinen Bericht. „Er ließ sich den Aufbewahrungsschein klauen. Seither ist die Tasche verschollen. Wißt ihr nun, warum ich dauernd unterwegs bin?"
Er wartete keine Antwort ab. Er zog die abgegriffene Liste aus der Tasche und breitete sie auf dem Tisch aus.
„Hier", würgte er rau hervor. „Auf diesem Papierfetzen stehen neun Adressen. Drei davon habe ich schon erledigt. Die sechs ändern muß ich mir noch vorknöpfen. Es wäre mir nun recht, wenn ihr mir dabei helfen würdet. Ich käme dann viel schneller zum Ziel. Würde mir auch nichts ausmachen, wenn ich mit euch teilen muß."
Seine drei Freunde schrien wie die Verrückten. Sie rissen beinahe die Liste auseinander. Sie waren völlig aus dem Häuschen.
„Mensch, Jebb!" grölten sie. „Das ist ja wie im Märchen. Einer von diesen sechs Burschen hat also achtzigtausend Pfund im Haus, he?"
„Brüllt doch nicht so", fauchte Jebb Mackolin gereizt. „Muß denn hier jeder wissen, daß wir hinter einem fetten Fisch her sind. Sprecht gefälligst im Flüsterton."
Sie steckten die Köpfe zusammen und tuschelten, daß es eine Art hatte.
„Ihr wißt also, was ihr zu tun habt", brummte Jebb Mackolin ungeduldig. „Fragt nach dem Zettel oder nach der Tasche. Eines ist so gut wie das andere."
„Bei wem sollen wir anfangen?" fragte Nick Harder.
Jebb Mackolin nahm die Liste zur Hand. „Hier", sagte er. „Den vierten Mann übernehme ich noch selbst. Er heißt Thomas Bernet, ist ein verheirateter Kleinrentner und wohnt in der Nachbarschaft Clark Dixons. Am Pavement in Clapham kenne ich mich bereits aus wie in meiner Westentasche. Dazu brauche ich euch nicht. Das schaffe ich ganz allein."
„Und wir?" fragte Nick Harder habgierig. „Hinter wem sollen wir uns hermachen?"
„Denke, es stehen noch genug Namen da", brummte Jebb Mackolin mundfaul. „Die ersten drei Burschen sind Kollegen Clark Dixons von der Central Common Bank. Die restlichen zwei arbeiten als Reporter bei irgendeiner Zeitung. Ihr habt die Wahl. Sucht euch einen aus."
„Pancras Rodwell, Henry Langford und Lucius Banim", las Ferry Gospel murmelnd herunter. „Das sind also die drei Herren von der Bank. Schätze, wir fangen beim ersten an. Seine Adresse steht ja haargenau da. Was kann da also noch schiefgehen."
„All right", nickte Jebb Mackolin. „Dann trennen sich jetzt unsere Wege, Boys! Macht's gut. Wir kommen morgen um die gleiche Stunde wieder hier zusammen,"
Er stand auf, griff seine Kappe vom Haken und stoffelte aus der Gaststube.
Bereits eine halbe Stunde später kam er am Pavement in Clapham an. Es war noch ziemlich früh am Abend. Eine Turmuhr hatte eben die zehnte Stunde verkündet.
Jebb Mackolin näherte sich dem kleinen Haus, in dem der Rentner Thomas Bernet mit seiner Frau wohnte. Es waren alte Leute. Sie gingen jedenfalls früh zu Bett. Aus dem flachen Häuschen kam kein Lichtschimmer. Vor den Fenstern lagen schwere Läden. Jebb Mackolin gab sich einen Ruck. Er pirschte sich vorsichtig an die grüngestrichene Haustür heran. Er duckte sich geschmeidig in ihren Schatten, wandte das Gesicht um und spähte mißtrauisch über den weiten Platz. Er tastete alle Häuser ab und registrierte .genau jeden Passanten. Er zählte jedes erleuchtete Fenster. Dann endlich machte er sich über die verschlossene Tür her. Er führte geräuschlos einen Sperrhaken ins Schlüsselloch. Das alte Schloß knarrte leise. Der rostige Bügel sprang ächzend zurück. Aus dem Flur des Hauses kam ein gedämpftes Echo. Jebb Mackolin wartete eine Weile. Als sich nichts rührte, öffnete er behutsam die Tür. Er ließ sich Zeit. Auf keinen Fall wollte er weiteren Lärm machen. Er geriet in einen muffigen, ärmlich eingerichteten Flur. Man sah sofort, daß es bescheidene Leute waren, die hier wohnten. Drei Türen führten in die verschiedenen Räume. Jebb Mackolin wandte sich instinktiv der ersten zu. Er drückte auf die Klinke. Dann erst merkte er, daß durch die Türritze matter Lichtschein fiel. Ein heißer Schreck fuhr ihm durch die Adern. Aber jetzt war es schon zu spät. Wenn die beiden
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