Kommissar Morry - Die Stimme des Terrors
düsteren Salon betraten, und ging ihnen ein paar Schritte entgegen. Er begrüßte zuerst Jeanette und dann Roger. „Wie ich sehe, ist Mr. Lincoln bei Ihnen zu Besuch", meinte er. „Gewiß hat er Ihnen die Geschichte von dem Anruf und dem Anschlag schon erzählt. Was halten Sie davon?"
„Wir haben eine neue Spur entdeckt, Inspektor", sagte Roger eifrig. „Kannten Sie die Fortcranks?"
„Ist das nicht der Name der Leute, die vor dreißig oder vierzig Jahren am Fluß eine Fabrik für landwirtschaftliche Maschinen betrieben?" fragte der Inspektor.
„Genau. Dieses Haus hier hat ihnen einmal gehört. Papa kaufte es von ihnen, mußte sich später aber vorwerfen lassen, die Fortcranks übervorteilt zu haben. Es existiert da eine ziemlich häßliche Geschichte von einem Fluch, mit dem die Fortcranks unsere Familie bedachten, bevor sie die Stadt verließen. Kurz und gut: Jeanette und ich mußten daran denken, als Stuart uns die Einzelheiten des Anrufs erzählte."
Rockwell massierte sich mit einer Hand das Kinn. „Hm", machte er. „Die Fortcranks hatten doch einen Sohn, nicht wahr?"
„Eben!" rief Roger erregt. „Er ist nur ein paar Jahre älter als ich — genau in dem Alter, das nach Mr. Lincolns Schätzung der Anrufer haben dürfte!"
„Ich werde der Sache nachgehen!"
„Darf ich Sie bitten, diese Ermittlungen möglichst diskret zu erledigen?" fragte Jeanette. „Die Fortcranks haben im Leben schon viel durchgemacht. Ich möchte nicht, daß sie erneut Gelegenheit finden, die Landvilles zu verfluchen."
„In dieser Angelegenheit können wir uns keine große Rücksichtnahme leisten", meinte Roger, aber der Inspektor versprach dem Mädchen: „Ich werde mich bemühen, die Untersuchungen möglichst behutsam zu führen." Er räusperte sich und fuhr dann fort: „Der Grund meines Besuches gilt freilich einem anderen Anliegen."
„Worum geht es diesmal, Inspektor", fragte Jeanette.
„Noch immer um das gleiche Thema — nämlich um den Mord, der an Ihrer Mutter verübt wurde. Allerdings ist eine neue Variante hinzugekommen. Es gibt einen jungen Mann, der behauptet, ebenfalls den Mörder zu suchen."
„Wer ist das?" fragten die Geschwister wie aus einem Mund.
„Ich wünschte, ich könnte die Frage beantworten", sagte Rockwell. „Vielleicht können Sie mir helfen, den Mann zu ermitteln. Er gibt vor, Nathalie Landville, Ihrer Mutter, so verpflichtet zu sein, daß er jeder Spur folgen müßte..."
Jeanette und Rockwell schauten einander an. Dann schüttelten sie die Köpfe. Roger erklärte: „Mama war eine gute und gerechte Frau — aber ich kenne niemand, der sich in den letzten Jahren mit der Bitte um Hilfe an sie gewandt hätte. Wie sah der Mann aus? Oder haben Sie nur telefonisch mit ihm gesprochen?"
„Nein, ich stand ihm bei mir zu Hause Auge in Auge gegenüber. Er war, obwohl maskiert, darüber sehr ungehalten, denn er hatte mich mit einer Pistole dazu aufgefordert, ihn nicht anzublicken. Seine Stimme kannte ich nicht. Er war groß und schlank, hatte helle Augen und blondes Haar, und eine sehr gewinnende Art, die Worte zu wählen und auszusprechen."
„Die Beschreibung paßt haargenau auf Stuart Lincoln", sagte Roger mit einem matten Lächeln.
„Mr. Lincoln? Den kenne ich. Der hat eine ganz andere Stimme", erklärte der Inspektor.
Jeanette warf dem Bruder einen ärgerlichen Blick zu. „Wie kannst du nur etwas so Unsinniges sagen? Selbst als Scherz finde ich deine Bemerkung höchst unpassend!"
„Es war doch nur ein Scherz", meinte Roger.
„Es gibt keinen Zweifel, daß der Bursche starke Zweifel an Ihrer Unschuld hegt", sagte der Inspektor und blickte erst Jeanette und dann Roger an. „Er bezweifelt zwar nicht die Echtheit Ihres Alibis, aber er hält es für möglich, daß der Mord von Ihnen in Szene gesetzt und von einem Dritten ausgeführt wurde. Er meint, daß gerade der Umstand, daß außer Ihrer Frau Mutter zur Tatzeit kein Hausbewohner in der Nähe war, auf eine Regie der Eingeweihten schließen läßt."
„Dann war der Mann, der Sie gestern überfiel, der Mörder!" sagte Jeanette rasch und mit fester Stimme.
„Warum glauben Sie das?"
„Weil es sich hervorragend in das Gesamtbild einfügt", meinte Jeanette. „Erkennen Sie die Zusammenhänge nicht, Inspektor? Denken Sie an das, was Stuart am Telefon zu hören bekam. Der Mörder hat gesagt, daß es ihm darum ging, die Landvilles zu vernichten. Er hat die Stirn besessen, zu Ihnen zu gehen und uns zu verleumden. Vielleicht hofft er, auf
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