Kommissar Morry greift ein Kommissar Morry
Zimmer verlassen, erhob sich Mac Hunter und lief wie ein gereizter Tiger umher. Die flüsternden Stimmen in der Diele verärgerten ihn noch mehr, und als Helena mit einem verlegenen Lächeln wieder eintrat, herrschte er sie an:
„Findest du nicht auch, Helena, daß der Kommissar sich unmöglich benimmt? In der schamlosesten Weise nützt er dir gegenüber seine Machtposition aus. An deiner Stelle würde ich ihn nicht mehr empfangen. Was kann er auch schon machen, nur ich allein bin in der Lage, Henry zu helfen . . .“
„Ach, weißt du“, stammelte unentschlossen die schöne Frau, „es ist so eigenartig, Mac, wie soll ich mich ausdrücken . . . aber ich muß dir gestehen, daß Kommissar Morry einen tiefen Eindruck auf mich gemacht hat. Er hat mir eben seine Liebe gestanden . . . und du siehst ja, wie durcheinander ich bin . . . mei n Gott“, sie preßte die Hände zusammen, „was soll ich nur machen . . .“
Fassungslos sah der Anwalt die Frau seines besten Freundes an. „Bist du von Sinnen“, flüsterte er, „dir ist es wohl entgangen, daß dein Mann im Gefängnis schmachtet . . . Um Gottes willen, Helena, mach jetzt, in der entscheidenden Phase, keine Dummheiten . . . Wenn du dem Kommissar Zugeständnisse machst, wird er natürlich gegen Henry eingestellt sein ... an Morry liegt es doch ... er kann Henry noch mehr belasten . . .“
Mit Tränen in den Augen wandte sich die schöne Frau ab. „Ich sehe ja selbst ein“, flüsterte sie mit erstickter Stimme, „daß ich nicht richtig handele . . . aber was soll ich machen, Mac ... ich bin vollkommen durcheinander . . . hilf du mir doch!“
Sie hatte sich gegen Mac Hunter gelehnt, und es schien, als ob ihr seine starken Arme wieder den moralischen Halt gaben.
„Wann will dich Morry wieder aufsuchen?“ fragte er nach einigen Minuten.
„Er hat sich morgen zum Abendessen angemeldet“, erklärte schuldbewußt Helena Porter, „aber ich bitte dich, Mac, du mußt auch erscheinen. Laß mich mit dem Mann nicht allein, er hat Macht über mich gewonnen“, und nun mit einem wehen Lächeln, „ich habe niemals geglaubt, daß es so etwas gibt. Du mußt an meiner Seite sein, damit ich stark bleibe... versprichst du mir, daß du kommst... Ja? Oh, ich danke dir...“
*
Nur im Herrenzimmer Mister Williams brannte Licht. Eine Schreibtischlampe erhellte den Tisch, vor dem Kommissar Morry saß und gedankenverloren in die stockdunkle Nacht hinaus blickte. Morry liebte die Stunden der Einsamkeit und Stille. Eine nervöse Unrast hatte ihn gepackt. Er wußte, daß er mit dem Leben spielte, aber andererseits wußte er auch, daß er den unheimlichen Gegner herausfordern mußte. Es gab keine andere Möglichkeit. Da peitschte ein Schuß auf. Sofort ließ sich Morry zu Boden fallen, kroch bis zur Tür und huschte wie ein Schatten hinaus.
Mit wilden Sätzen stürmte er durch den Vorgarten zu dem gegenüberliegenden Grundstück hinüber. Wild blickte er umher! Nur hinter diesem Baum hier konnte der Schütze gestanden haben ... Er lauschte . . . Nirgends ein Geräusch. Da schlug das Pochen eines Motors an sein Ohr. Mit einem Satz schwang er sich über den Zaun und jagte die Straße hinunter ... Zu spät! Ein Wagen jagte in rasendem Tempo davon. Aber das rückwärtige, verbogene Nummernschild hatte er erst vor einigen Tagen gesehen, als er das Kaufhaus Mister Fellows betreten hatte.
Benommen ging Morry wieder zurück. Eines war für ihn jetzt klar, Henry Porter war unschuldig! Er war dem wirklichen Täter auf der Spur . . . der Mann hatte die Nerven verloren . . .
Wie kam es nur, daß er in diesem Augenblick an Mrs. Porter denken mußte . . . Welche Kombinationen stellte Morry an... Es waren doch gewagte Gedankensprünge von Mister Fellow zu der schönen Frau... Warum nahm Morry nicht noch in dieser Nacht die Verfolgung des Mannes auf, der einen Mordanschlag auf ihn ausgeführt hatte? Reichte es noch nicht aus, um ihn zu überführen?
Als sich nach einer Stunde Kommissar Morry niederlegte, lag griffbereit die entsicherte Waffe neben ihm auf einem Stuhl. Glaubte Morry etwa, daß der Unheimliche noch einmal zurückkehren würde? Aber dennoch war es eigenartig, daß der gefürchtete Kommissar mit einem zufriedenen Lächeln einschlief. Pünktlich zur verabredeten Zeit besuchte am nächsten Abend Morry die Frau des Bankdirektors.
„Wen sehe ich denn da?“ rief er spöttisch aus, als der Anwalt sich erhob, um ihn zu begrüßen. „War es nicht so vereinbart, Mister
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