Kommissar Morry - Opfer des Satans
geben, daß alle Schiffe und Kähne genau durchsucht werden. Erst wenn ich seine Leiche sehe, gebe ich mich zufrieden.“
Die Leiche John Griffins blieb jedoch unauffindbar. Zwei Tage und zwei Nächte zeigte die Suche keinerlei Erfolg. Dann verzichtete man auf weitere Nachforschungen.
„Was meinen Sie?“ fragte Inspektor Holly am dritten Tag nach dieser aufregenden Nacht. „Glauben Sie, daß John Griffin inzwischen in der Hölle gelandet ist? Oder ist dieser Satan immer noch am Leben? Reden Sie!“
Konstabler Ossian zuckte unschlüssig mit den Achseln. „Wenn wir John Griffin schon als Teufel bezeichnen“, meinte er, „so müssen wir ihm auch überirdische Fähigkeiten zuschreiben. Nur ein Übermensch kann sich aus den Fluten retten, wenn er offenbar schwer verwundet ist. Seine Chancen standen eins zu tausend. Nach menschlichem Ermessen war er verloren.“ Achtundvierzig Stunden später herrschte endlich Klarheit über das Schicksal John Griffins. Auf den Schreibtisch Inspektor Hollys flatterte ein Brief, der im Nord-Süd-Expreß aufgegeben worden war. Ein einfacher Notizzettel fiel aus dem blauen Umschlag.
„Ich bin annähernd gesund und wohlbehalten. Stets Ihr ergebener John Griffin“, stand darauf zu lesen.
Inspektor Holly ließ einen ellenlangen Fluch vom Stapel. Er konnte sich nicht mehr beherrschen. Sein Gesicht wurde grün wie Galle.
„Daß dieser Teufel seinen Hohn nicht lassen kann“, knirschte er verbittert zwischen den Zähnen. „Während wir hier sämtliche Schiffe kontrollieren und das Wasser nach ihm absuchen lassen, sitzt er gemütlich im Expreß nach London. Dieser Bursche ist uns über, Ossian! Er scheint wirklich mit dem Satan im Bunde zu stehen.“
„Weiß der Herr“, stimmte Konstabler Ossian grimmig zu. „Ich würde fünf Jahre meines Lebens opfern, wenn ich diesen Bösewicht am Galgen baumeln sehen könnte. Aber daraus wird wohl kaum etwas werden, Sir. Hier werden wir diesen Schurken nie wieder zu Gesicht bekommen. Er hat sich nach London gewandt. Dort vermag er am leichtesten unterzutauchen. Vielleicht vergehen Jahre, bis man wieder eine Spur von ihm findet.“
„Täuschung“, warf Inspektor Holly ein. „Das ist eine Täuschung, mein Lieber! Die Katze läßt bekanntlich das Mausen nicht. Und auch John Griffin wird nicht von seinem traurigen Handwerk lassen. Die Londoner Kollegen werden ihm sicher eines Tages den Garaus machen. Der Yard hat die besten Detektive der Welt!“
Nach einer kurzen Weile gab Inspektor Holly einen dringenden Funkspruch nach London auf. Er war an Scotland Yard gerichtet und hatte folgenden Wortlaut: Der steckbrieflich gesuchte fünffache Mörder John Griffin konnte mit dem Nord-Süd-Expreß aus Schottland flüchten. Vermutlich versucht Griffin in London unterzutauchen. Der Mann ist mittelgroß, kräftig, wahrscheinlich schwer verwundet und gehbehindert. Der Mörder verwendet als Waffe stets einen einseitig geschliffenen Dolch mit breitem, schlangenförmig ziseliertem Metallgriff . . . usw.
„Ob die Londoner Kollegen wohl etwas damit anfangen können?“ fragte der Inspektor zweifelnd.
„Wir müssen auf das Schicksal vertrauen“, meinte Konstabler Ossian beinahe feierlich. „Wenn es noch eine Gerechtigkeit gibt auf dieser traurigen Welt, Sir, so wird John Griff in noch in diesem Jahr unter dem Galgen stehen.“ „Wollen wir es hoffen“, sagte Inspektor Holly mit einem tiefen Seufzer.
4
Im „Mitternachts-Klub“ im Londoner Vergnügungsviertel Mayfair herrschte an diesem Abend reger Betrieb. In der zweiten Etage, wo hinter schalldicht gepolsterten Türen verbotene Glücksspiele betrieben wurden, waren alle Tische dicht belagert.
„Sie haben Pech heute“, sagte eine junge Dame zu Cecil Harrow, dessen Geld wie Schnee in der Sonne dahinschmolz. „Ich würde aufhören an Ihrer Stelle. Spielschulden sind oft eine verflixt unangenehme Bürde.
„Ach was“, mischte sich ein junger Dandy ein. „Cecil Harrow hat den reichsten Vater von ganz Belgravia. Lassen Sie ihn doch weiterspielen, wenn es ihm Spaß macht. Schließlich ist er ja kein Kind mehr.“
Cecil Harrow suchte mit fahrigen Händen nach einer Zigarette. Er war nervös und gereizt und übernächtigt. Sein sonst so blasiertes Lebemanngesicht triefte wie in Schweiß gebadet. Der durchweichte Kragen stand halb auf, die Krawatte baumelte schlampig zwischen den Rockaufschlägen.
„Es ist wie verhext“, preßte er über die blassen Lippen. „Ich hätte heute überhaupt nicht
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