Kommissar Morry - Opfer des Satans
großen Augen forschend an.
„Hier bist du?“ sagte sie erstaunt. „Ich suchte dich schon überall. Das heißt ... Lord Harrow ließ dich suchen. Er hat etwas Wichtiges mit dir zu besprechen.“
Cecil Harrow biß sich auf die Lippen. „Mit mir?“ fragte er unruhig. „Was will er denn?“
„Ich weiß nicht“, gab Angela Corday lächelnd zurück. „Na, so komm schon endlich!“
Der junge Harrow folgte seiner Cousine die Treppe hinunter. In der Halle angelangt, schickte er seine Blicke scheu zum Kamin. Er sah seinen Vater, den ehrwürdigen Lord Vincent Harrow, in einem tiefen Sessel sitzen und geistesabwesend in das lodernde Feuer starren. Die schneeweißen Haare umrahmten ein faltiges, stubenblasses Gesicht.
„Guten Abend, Vater“, grüßte Cecil den Mann, den er eben erst bestohlen hatte.
Lord Harrow drehte sich langsam um. Seine Züge blieben unbewegt. Die Augen blieben müde und ernst.
„Daß du doch endlich kommst“, sagte er gedehnt. „Wir warten schon seit Stunden auf dich, Angela und ich. Warst du wieder in den Spielhöllen in Mayfair?“
„Ja, Vater“, erwiderte Cecil Harrow mit flacher Stimme. „So rasch kann man mit einer Gewohnheit nicht brechen. Aber ich werde diese Nachtbummelei bestimmt aufgeben, wenn ich erst einmal verheiratet bin. Angela wird mich...“
„Sie wird dich nicht haben wollen“, widersprach Lord Harrow mit einem verächtlichen Unterton. „Frag sie doch selbst. Welche Frau hat schon Lust, jeden Abend allein zu Hause zu sitzen!“
Angela Corday errötete bei diesen Worten. In mädchenhafter Scheu wich sie den Blicken des Cousins aus. Ihr schönes Gesicht wechselte ständig die Farbe.
„Setz dich“, forderte Lord Harrow kurz seinen Sohn auf. „Ich weiß nicht, ob dir Angela schon erzählt hat, daß wir für heute noch Besuch erwarten?“
„Nein, sie hat nichts davon erwähnt“, murmelte Cecil Harrow, froh über das ,harmlose Thema. „Von welchem Besuch sprichst du, Vater?“
Er mußte lange auf eine Antwort warten. Lord Harrow schien seine Anwesenheit völlig vergessen zu haben. Er starrte wieder in die Flammen und redete kein Wort mehr.
„Von welchem Besuch sprichst du, Vater? wiederholte Cecil Harrow noch einmal.
„Stanley Belmont hat für heute nacht sein Kommen angekündigt.“
Cecil glaubte nicht richtig gehört zu haben. Er blickte seinen Vater verständnislos an. Kopfschüttelnd wartete er auf weitere Erklärungen. Als der Lord weiterhin stumm blieb, trat der Sohn einen Schritt näher an den Sessel heran.
„Was ist denn nun eigentlich los, Vater? Wenn du von Stanley Belmont sprichst, so meinst du ja wohl deinen Sohn aus erster Ehe. Ich erinnere mich noch, daß mein Stiefbruder diesen Namen trug. Aber wie kann er kommen, wenn er tot ist? Wir erhielten doch vor etwa zehn Jahren die Nachricht von seinem plötzlichen Ableben und haben seither nie wieder etwas von ihm gehört. Stimmt das alles?“
„Ja, es stimmt.“
Cecil Harrow hielt sich schwankend an der Sessellehne fest. Entweder hatte er zuviel getrunken, oder sein Verstand hatte in der letzten Stunde gelitten. Er begriff plötzlich die Welt nicht mehr.
„Bedenke doch, Vater“, rief er schrill, „wir bekamen seinerzeit eine amtliche Todesnachricht aus Australien. Demnach war Stanley auf der Jagd tödlich verunglückt. Hast du das denn alles vergessen?“
„Behörden können sich irren“, murmelte Lord Harrow versonnen. „Ich wäre glücklich, wenn Stanley heim käme, dann hätte ich wenigstens einen Sohn, der nach meiner Art geraten ist.“ „Ich kann mich noch gut an Stanley erinnern“, mischte sich Angela plötzlich mit weicher Stimme ein. „Ich war damals noch ein kleines Mädchen und habe immer bewundernd zu ihm auf gesehen, weil er so ritterlich und überlegen war. Ich würde mich auch sehr freuen, wenn er zurückkäme.“ „Seidihr denn nicht bei Verstand?“ stieß Cecil Harrow nervös hervor. „Was soll denn dieser ganze Unsinn? Wenn Stanley zehn Jahre nichts mehr von sich hören ließ, so ist er auch tatsächlich tot. Ihr werdet einem Betrüger aufsitzen. Da kann ja jeder kommen, der sich in ein warmes Nest setzen will. Ihr werdet jeden aufnehmen, wie?“
„Nicht jeden“, entgegnete Lord Harrow versonnen. „Nur Stanley!“
„Und wie willst du feststellen, daß es wirklich Stanley ist?“
„Ich werde doch meinen Sohn noch kennen“, sagte Lord Harrow mit mattem Lächeln. „Mich kann man nicht täuschen. Ich wollte nur, ich müßte nicht so endlos warten. Es
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