Kommissar Morry - Terror um Mitternacht
nahe, daß unser Toter Skipper heißt und lediglich vorzog, unter dem Decknamen Shippers bei Mrs. Ryth unterzutauchen. Das alles sind Theorien. Er kann ebensogut einen falschen Paß auf den Namen Skipper gehabt haben . . . das wissen wir leider nicht. Bei unseren Nachforschungen müssen wir auf alle Fälle beide Namen im Auge behalten."
„Was soll jetzt geschehen?“
„Lassen Sie uns die nächste Telefonzelle aufsuchen.“
Es war genauso, wie es der Inspektor erwartet hatte. Man fand zwar keine Blutspuren, aber eine der Metallverstrebungen der Zelle war von einer Kugel durchschlagen worden.
„Hier ist es also passiert.“
Die Zelle lag an einer Straßengabelung. Hinter ihr befand sich eine Kneipe, die, wie sich herausstellte, geschlossen war und schon seit einiger Zeit renoviert wurde. Motley betrat die Zelle und bemerkte, daß es leicht möglich war, von hier aus die Straße im Auge zu behalten. Sie war kaum belebt.
„Lassen Sie uns jetzt zur Bank fahren“, sagte Motley.
Der Bankdirektor empfing sie sehr zuvorkommend und mit jener steifen Höflichkeit, mit der sich viele wohlerzogene Engländer zwar Respekt, aber kaum Freunde schaffen. Schweigend hörte er sich Inspektor Motleys Bitte an.
„Sie wissen, meine Herren“, erklärte er dann, „daß wir Ihnen in jedem Fall sehr gern behilflich sein werden. Unglücklicherweise bin ich gezwungen, mich an bestimmte und auch Ihnen nicht ganz unbekannte Regulationen zu halten, die dazu dienen, die berechtigten Interessen unserer Klienten zu schützen. Bankgeheimnis, meine Herren. Uns liegt noch keine offizielle Meldung vom Ableben des Mr. Shippers vor. Im übrigen — und das ist Ihnen gleichfalls geläufig — besteht für uns eine Auskunftspflicht nur dann, wenn Sie uns eine Sondergenehmigung vorlegen. Sobald Sie die beschafft haben, bin ich gern bereit, Ihnen nach besten Kräften zu helfen.“
Der Inspektor und sein Gehilfe mußten unve richteter Dinge wieder abziehen. Von Kommissar Morry verschafften sie sich die notwendigen Unterlagen und sprachen kaum eine Stunde später erneut bei dem Direktor des Bankhauses Leighton & Leighton vor. Der empfing sie mit einem kühlen Lächeln in seinem ledergepolsterten Privatkontor.
„Ich habe natürlich damit gerechnet, Sie so schnell wiederzusehen", sagte er und wies mit einladender Geste auf zwei Sessel, die seinem Schreibtisch gegenüber standen. „Bitte nehmen Sie Platz. Ich habe schon alles zurückgelegt. Darf ich zunächst einmal die Sondergenehmigung sehen? Vielen Dank, das genügt.“
Die Bankauszüge ergaben, daß Shippers in sehr unregelmäßigen Abständen, zwischen zwei und viermal wöchentlich, kleinere Summen eingezahlt hatte, deren Höhe zwischen vier und zehn Pfund schwankte. Das Konto war vor zwei Jahren mit einer Einlage von hundert Pfund eröffnet worden. Jetzt befanden sich zweihundertdreißig Pfund darauf.
„Darf ich mal mit dem Kassierer sprechen, der Mr. Shippers in der Regel abfertigte?“ erkundigte sich Motley.
„Selbstverständlich“, meinte der Bankdirektor. Er drückte auf den Knopf des Tischtelefons und rief ins Mikrofon: „Miß Gardner, schicken Sie doch bitte Mr. Hartwell herein.“
Mr. Hartwell war ein kahlköpfiger, untersetzter Mann, der sich offenbar bemühte, die wohlabgewogene Höflichkeit seines Vorgesetzten zu kopieren. Er brachte es freilich nicht viel weiter als bis zu einer schlechten Imitation.
„Ich erinnere mich genau, daß Mr. Shippers meistens sehr kleine Scheine und Münzen brachte . . . eigentlich sogar immer“, fügte er in unnötiger Wiederholung hinzu. „Ich schloß daraus, daß Mr. Shippers im ambulanten Gewerbe tätig sei."
„Vielen Dank, Mr. Hartwell“, sagte Motley.
„Das ist alles, was Sie zu wissen begehren?“ fragte Mr. Hartwell erstaunt und auch etwas enttäuscht.
„Das ist alles.“
Auf der Rückfahrt sagte der Inspektor zu May: „Es ist genauso, wie ich dachte. Shippers hat von seinen früheren Arbeitgebern, den Falschmünzern, einen bestimmten Abfindungsbetrag in echten und in falschen Noten erhalten. Die echten Scheine zahlte er sofort ein. Sie bildeten die Grundlage seines Kontos. Die falschen Scheine mußte er in mühsamer Kleinarbeit beim Handel unterbringen. Das Wechselgeld legte er zur Seite und brachte es dann zur Bank.“
„Gut, nehmen wir an, daß das stimmt. Es bringt uns nicht viel weiter. Was wir brauchen, ist die Anschrift seiner Arbeitgeber.“
„Die wird uns nicht in den Schoß fallen. Die müssen wir uns
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