Kommissar Morry - Terror um Mitternacht
Polizeirevier von Limehouse eine alte Frau. Sie war gekommen, um eine Vermißtenmeldung aufzugeben . Ihr Name war Anne Ryth.
„Mr. Shippers war ein ordentlicher Mieter. Zahlte immer sehr pünktlich und betrank sich nie“, kommentierte sie. „So einen kriege ich nicht wieder. Sie müssen ihn finden, Konstabler.“
„Moment, Moment“, sagte der diensttuende Sergeant und befeuchtete mit der Zunge die Spitze seiner Füllfeder. „Immer schön der Reihe nach. Wie heißt der Mieter?“
„Anthony Shippers, Sir."
„Es genügt, wenn Sie mich Sergeant nennen. Wie alt war er?“
„Einundfünfzig, glaube ich.“
„Seit wann vermissen Sie ihn?“
„Seit vorgestern, Sir.“
„Sergeant.“
„Bitte?"
„Es genügt, daß Sie Sergeant sagen.“
„Yes, Sir.“
Der Sergeant gab es auf.
„Beruf?“ fragte er.
„Hausfrau.“
Der Sergeant drehte die Augen zur Decke.
„Mr. Shippers Beruf meine ich.“
„Drucker."
„Wo arbeitete er?“
„Er arbeitete gar nicht, Sir. Er lebte von seinem Vermögen.“
„Von seinem Vermögen?“ wunderte sich der Polizist.
„Naja... er hat mal eine Erbschaft gemacht.“
„Was hatte er auf dem Leib, als er das Haus verließ?“
Mrs. Ryth dachte kurz nach und gab dann eine peinlich genaue Schilderung der Kleidungsstücke. Während der Sergeant mitschrieb, fiel ihm plötzlich die Beschreibung ein, die Scotland Yard von dem Toten am Themsekai durchgegeben hatte.
„Moment mal", bat er und zog das vervielfältigte Exemplar hervor, das die genauen Details enthielt. Er überflog die Zeilen. Es gab keinen Zweifel. Der Tote mußte Mr. Shippers sein.
„Ich fürchte, Sie werden sich nach einem neuen Mieter umsehen müssen“, sagte er.
„Um Himmels willen. Ist er umgezogen?“
„Nein, liebe Frau. Er ist einem Unglück zum Opfer gefallen. Es sieht ganz so aus, als ob man ihn getötet hätte.“
„Das ist nicht möglich!“
„Warum? Sie sagen doch selbst, daß er reich war.“
„Das stimmt“, stotterte Mrs. Ryth. „Ich habe nie daran gedacht, daß es Leute geben könnte, die den armen Mr. Shippers berauben möchten.“
„Sie werden jetzt mit einem unserer Beamten nach Scotland Yard fahren und dem Inspektor einige Fragen beantworten müssen.“
„Ich?“ fragte Mrs. Ryth entsetzt. „Aber ich habe doch mit der Sache gar nichts zu tun!“
„Ihnen wird auch nichts geschehen“, beruhigte sie der Sergeant. „Wir brauchen nur einige Auskünfte."
„Ich habe alles gesagt, was ich weiß!“
„Beruhigen Sie sich doch. Wollen Sie uns nicht helfen, den Mörder des braven Mr. Shippers zu stellen?“
„Ja, natürlich, Sir.“
„Dann müssen Sie dem Inspektor alle Fragen beantworten, die er an Sie richtet.“
Vierzig Minuten später saß Mrs. Ryth Inspektor Motley in dessen Arbeitszimmer gegenüber. Sie war in guter Laune und hatte ganz vergessen, weshalb sie nach hier gebracht worden war. Der Inspektor war so ein netter, umgänglicher Mensch! Er sprach weder von dem Mord noch von anderen schrecklichen Dingen. Er erkundigte sich nur ganz väterlich nach ihrem Wohlergehen, plauderte über Limehouse, das er gut zu kennen schien, machte ihr einige Komplimente und ließ durch» blicken, daß er Mr. Shippers eigentlich beneide . . . es müsse ein Vergnügen sein, von Mrs. Ryth betreut zu werden.
Kurz und gut, er brachte es fertig, Mrs. Ryths Nervosität zu lösen, und als er endlich dazu überging, kleine Fragen nach Mr. Shippers Eigenheiten zu stellen, war es beinahe nur wie eine Fortführung der bisherigen ganz unbeschwerten Unterhaltung.
„Er wohnte sechs Jahre bei mir, Sir, und eigentlich hat er nur die ersten beiden Jahre dieser Zeit arbeiten müssen. Dann hatte er das Glück, eine größere Erbschaft zu machen.“
„Das möchte ich auch mal", meinte der Inspektor. „Aber leider habe ich keinen reichen Onkel wie Mr. Shippers. Oder war es eine Tante, die starb?“
„Eine Tante, Sir. Sie wohnte in Kensington. Er hat sie beinahe täglich besucht.“
„Wirklich rührend. Was tat er nach ihrem Tode?“
„Oh, er hatte ja seine Briefmarkensammlung, wissen Sie. Da fällt mir ein . . . wer wird die denn erben?“
„Wir müssen feststellen, ob er noch Verwandte hat.“
„Ich verstehe nämlich etwas von Briefmarken. Mein seliger Mann hat auch welche gesammelt."
„Mr. Shippers war ein wohlhabender Mann, nicht wahr?“
„Ganz gewiß, Sir. Er hatte immer Geld und aß sehr gut. Aber er war keinesfalls verschwenderisch. Er hielt sein Geld
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