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Kommissar Pascha

Kommissar Pascha

Titel: Kommissar Pascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Su Turhan
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dieser Nacht nicht zu denken. Zeki Demirbilek saß nach dem Besuch bei Robert wieder in seiner Küche, lauschte Sezen Aksus traurigen Liedern und dachte an seinen Sohn. Vor fünf Jahren, als es zum Bruch mit Aydin kam, war Zeki mehr ein von Ehrgeiz getriebener Polizist als ein verständnisvoller Vater gewesen. Aydins Wille, Musiker zu werden, nahm zu der Zeit Formen an, die er nicht mehr hinnehmen wollte. Aydin hatte über Monate die Schule mit gefälschten Entschuldigungsschreiben geschwänzt. Wie sich herausstellte, verbrachte er die Zeit in einem angemieteten Übungsraum, von dessen Existenz nicht einmal Selma wusste. Das Geld dafür bekam er jeden Sonntag von ihm, um den Musiklehrer zu bezahlen, den er angeblich drei Mal die Woche aufsuchte. Als die Sache aufflog, nahm Selma ihn in Schutz. Er hingegen ließ sich von Aydin die Tür zum Raum aufsperren. Aydin musste zuschauen, wie er seine Instrumente wegräumte.
    Die Rakıflasche und der Obstler standen noch neben Selmas Brief auf dem Tisch. Zeki nahm einen Schluck vom Rakı, um die unangenehme Erinnerung wegzuspülen. Er schüttelte sich vor Ekel. Durch das offene Fenster drangen dumpfe Laute von der Straße. Letzte Gäste verließen die Lokale in der Umgebung. Er lauschte dem Quietschen der Trambahn. Sommergefühle und Lebensfreude drangen leise in die beschauliche Wohnküche.
    Zeki überwand sich und ging ins Schlafzimmer. Er legte seine Kleidung über den weißen Holzstuhl und zog seinen gestreiften Pyjama an. Er zögerte einen Moment. Dann legte er sich hin. Sein Herz raste wild. Mit hinter dem Kopf verschränkten Händen starrte er an die Decke und fragte sich, warum sein Herz so schnell pochte. Er fühlte sich krank. Gefühlskrank? Frederike, die ihn verlassen hatte. Selma, die sich meldete? Sein Sohn, der sich ankündigte? Seine Tochter, die das Nachtleben genoss? Dann sein erster eigener Fall, den er innerlich noch nicht angenommen hatte. Zu wenig dachte er über Motiv und Tathergang nach. Musste er das denn nicht als frisch ernannter Sonderdezernatsleiter?
    Zeki setzte sich wieder auf und sah auf den Wecker. Ein altmodisches Ding, das tickte. Es war erst halb zwölf. Er wunderte sich über seine innere Unruhe. Dann fiel ihm ein, dass er mal »krank« gewesen war. Nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit einem Justizbeamten am Gericht, der sich als Judomeister entpuppte, hatten ihn zwei Wochen lang Rückenschmerzen geplagt. Das war vier Jahre her. Aber sonst war er eigentlich nie ernsthaft krank gewesen in seinem Leben. Dennoch stimmte etwas nicht. Sein Herz raste. Er konnte es hören und fühlen. Es schlug laut. Er versuchte, das beklemmende Pochen wegzumassieren. Vergebens.
    Schließlich stand er auf, schlüpfte in seine Schlappen und überlegte, den Notarzt anzurufen. Doch was hätte er am Telefon sagen sollen? Hören Sie, eine alte Frau hat mich beschimpft, ich musste an meine Kindheit in Istanbul denken und weinen? Meine zweite Ehefrau hat mich verlassen, worüber ich froh bin, was ich aber nicht wahrhaben will? Da gibt es einen toten Türken, der mich nicht interessiert? Ich bin krank, bitte kommen Sie schnell! Lächerlich.
    Er quälte sich in die Küche und konzentrierte sich auf die Zubereitung eines
çays,
um sich zu beruhigen. Er stellte den unteren Teekessel mit Wasser auf den Herd, die Teeblätter im oberen Behälter bewässerte er leicht, damit sie aufquellen konnten. Nachdem das Wasser im unteren Kessel brodelte, schüttete er den oberen Kessel zur Hälfte mit dem kochenden Wasser voll. Der Teesud zog fünf Minuten. Mit dem starken, schwarzen Tee in dem geschwungenen Glas nahm er wieder am Küchentisch Platz. Er war allein. Die Erkenntnis war nicht neu. Aber um Mitternacht brachial in seiner Wirkung.
    Er nippte am gesüßten Tee und wollte am liebsten eine rauchen. Es war lange her, dass ihn die Sucht dermaßen hart anpackte. Vor mehr als zwei Jahren hatte er mit Frederike das Rauchen aufgehört. Die letzte gemeinsame Zigarette hatten sie an dem Tisch gequalmt, an dem er gerade seinen Tee trank. Zeki erinnerte sich an seinen letzten Zug, daran, wie Frederike grinste und das Nichtraucherschild hochhielt, das ihnen Özlem vor lauter Freude über ihren Entschluss geschenkt hatte. Zeki versuchte, sich seine Reaktion in Erinnerung zu rufen. Er hatte das Schild gut sichtbar auf die Ablage über den Herd gestellt. Danach hatte Frederike den Aschenbecher gesäubert und zu den anderen in den Abfall gesteckt. Er erinnerte sich genau daran,

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