Kommissar Steen 01 - Unruhe
vor ihr in die Knie gegangen war, hatte sie geweint und »Jajaja« gesagt, bevor ein emsiger französischer Kirchendiener sie zum Gelächter der Leute aus der Kirche scheuchte. Nervöse, abgebrochene Küsse, weil er auf der Treppe ins Stolpern geriet.
Was geschah hier?
Die ersten Monate stahlen sie sich aus dem Präsidium. Er war im Morddezernat, sie in der Rechtsabteilung, und in der Mittagspause trafen sie sich manchmal unten am Hafen oder im Tivoli, wo sie ihre Ausweise benutzten, um eingelassen zu werden, und einmal hatte er sie am Hauptbahnhof, einen Block vom Präsidium entfernt, mit dem Streifenwagen aufgesammelt, und sie waren runter zum Südhafen gefahren. »Fahren die Nutten hier nicht immer mit ihren Kunden hin?«, fragte sie ihn, als sie ihren Rock hochzog und sich auf ihn setzte, er kämpfte mit ihrer Bluse und dem BH – »mach sie um Himmels willen nicht kaputt, ich hab sonst nichts anzuziehen« – und schaffte es nicht zu antworten, dass das Open-Air-Bordell ein kleines Stück weiter weg sei, »fickmich fickmich fickmich«. Am Abend feierten sie im Pinden neben dem Hauptbahnhof den Abschied zweier Kollegen, die in den Irak gingen, und sie strahlte auf eine Weise, dass alle sie umschwärmten, ihre glühenden Wangen, das trägerlose rote, plissierte Top, die Augen, die vor Verliebtheit und Freude leuchteten. Er sah die Blicke seiner Kollegen und ihre Begierde und wurde eifersüchtig, bis er beschämt einsah, dass das Ziel seiner Eifersucht seine eigene Verliebtheit war.
Was passierte hier? Was passierte hier? Was passierte mit ihm?
Die Sehnsucht nach ihr war während der letzten drei Jahre wie ein Mantel gewesen, den er nicht hatte ablegen können, ohne sich nackt zu fühlen. Jetzt lag sie hier. Aber warum? Erwusste nicht, wie er dieses Glück festhalten sollte. Jetzt gerade war sie da, gehörte ihm, aber wie lange?
Zuvor hatte sie fremdartig geduftet, jetzt war das Parfüm nur eine Mischung aus Sex und Schweiß.
Sie schlug die Augen auf.
»Woran denkst du?«
»Ich denke an uns und daran, warum es schiefgegangen ist.«
»Und was glaubst du?«
»Haben wir noch eine Chance? Ich könnte kürzertreten, was die Arbeit angeht.«
»Glaubst du, du könntest das?«
»Ja, ich hoffe es.«
Sie schmiegte sich an ihn.
Etwas später fragte er:
»Warum bist du gekommen?«
»Eine Eingebung. Ich war allein. Man gibt den, mit dem man ein Kind hat, wohl nie ganz auf, oder?«
Dann griff der Schlaf nach ihm und führte ihn auf den Grund des Meeres, wo ihn die Träume nicht erreichen konnten.
MONTAG, 5. MÄRZ
33
Es war kein Traum, sie lag tatsächlich neben ihm, und er konnte sie berühren, er streckte die Hand aus, schob sie unter die Bettdecke, streichelte ihre nackte Schulter, spürte die warme Haut, sie öffnete die Augen. Es war sieben Uhr, und Emma würde spätestens in einer Stunde aufwachen. Axel wusste nicht, ob Cecilie hier im Bett bleiben oder wenigstens angezogen im Wohnzimmer sitzen wollte, damit ihre Tochter nicht gleich erraten konnte, dass sie hier geschlafen hatte.
Sie sah ihn mit diesem Blick an, der sich stets bei ihr einstellte, wenn sie aus dem Schlaf gerissen wurde, und an den er sich so gut erinnern konnte: Wer bist du? Was mache ich hier? Ausnahmsweise gab es vielleicht tatsächlich einmal einen Grund, die zweite Frage zu stellen.
»Wie spät ist es?«
Sie kuschelte sich an ihn. Axel hielt sie und sagte ihren Namen.
»Ja, ja, gleich«, sagte sie, räkelte sich, blieb liegen und starrte an die Zimmerdecke.
»Du liebe Güte, was für ein Durcheinander.«
Aber sie lächelte, während sie es sagte.
Sie stand auf, hielt die Decke um sich gewickelt, sammelte ihre Sachen auf und ließ sich auf das Fußende des Bettes sinken.
»Es ist wohl besser, ich bin angezogen, wenn sie wach wird. Dann sieht es so aus, als sei ich eben erst mit den Stiefeln vorbeigekommen.«
Axel erzählte ihr, dass er davon ausging, heute trotz des Mordfalls freizuhaben. Dann berichtete er ihr von Enver Davidi, dem Hotel, der TV 2-Aufnahme, erwähnte aber nicht, wie er sie in die Finger bekommen hatte. Die Obduktion, die Besprechung beim PET und den Pass überging er, und seine Vorgeschichte mit Enver Davidis Exfrau verschwieg er ebenfalls. Cecilie aber pickte Laila Hansen zielsicher aus seiner Erzählung heraus.
»Du klingst ja so, als wärst du ganz angetan von ihr.«
»Wie meinst du das?«
»Du hörst dich an, als fändest du sie anziehend.«
»Überhaupt nicht. Nicht sie, den Fall.«
»Ach so, ja
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