Kommissar Steen 01 - Unruhe
vorgeschlagen, dass ich vorbeikomme. Sie war alleine zu Hause.«
»Was hat dein Partner dazu gesagt?«
»Er war dagegen. Aber ich habe ihm nicht gesagt, wer sie ist. Zum Schluss habe ich ihn überredet, mich gehen zu lassen.«
»Warum hast du den Schutzanzug ausgezogen?«
»Es wäre mir wohl nicht sonderlich gut bekommen, in der Montur alleine durch Nørrebro zu spazieren.«
Axel sah ihn an, wartete, und als nichts geschah, gab er Vang das Zeichen fortzufahren.
»Ja, dann bin ich also rüber zu ihr. Eineinhalb Stunden.«
Axel stöhnte.
»Wie lautet ihre Nummer?«
»Ich will nicht, dass sie da hineingezogen wird.«
»Sag mal, bist du eigentlich völlig bescheuert? Glaubst du, du hast zum Spaß die ganze Nacht hier eingesessen? Glaubst du etwa, ich hätte nichts Besseres zu tun, als mich mit einem Idioten wir dir zu unterhalten? Wie lautet ihre Nummer?«
»Sie ist verheiratet.«
»Das ist mir scheißegal. Gib mir ihren Namen und ihre Nummer.«
Axel kam der Nachname bekannt vor. Er rief sofort an.
»Hier spricht Axel Steen vom Morddezernat der Polizei Kopenhagen. Ich sitze hier mit Kasper Vang, der ernstlich in der Klemme steckt, weil er in der Nacht von Donnerstag auf Freitag zwei Stunden lang seinen Posten verlassen hat. Er sagt, er sei mit Ihnen zusammen gewesen. Stimmt das?«
Axel lauschte kurz der Frau am anderen Ende und beendete dann das Gespräch. Er schüttelte den Kopf. Es war unglaublich, aber leider wirklich wahr.
»Kommt das raus? Wird ihr Mann das erfahren?«
»Natürlich kommt das raus, du Affe, natürlich wird er es erfahren. Du kommst um eine Anklage wegen Mordes herum, aber ich hoffe verdammt noch mal, er verpasst dir eine richtige Abreibung. Raus aus meinem Büro. Sofort!«
Er rief Rosenkvist an und hinterließ ihm eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter – sie würde ihn sicher freuen. Ein ganz gewöhnlicher Polizist, der Dienst Dienst und Pflicht Pflicht sein ließ, um die Frau seines Einsatzleiters zu vögeln.
35
Axel vertiefte sich in die Berichte, die gestern und im Laufe der Nacht bei ihm eingegangen waren. Bjarne, ein Kollege aus dem Rauschgiftdezernat und der beste verdeckte Ermittler der Kopenhagener Polizei, war in Christiania gewesen und hatte Bilder von Piver herumgezeigt. Einige hatten ihn im Laufe des Freitags gesehen. Einer der im Freistaat bekannten Säufer, der schwarze Arne, hatte versucht, bei Piver eine Kippe zu schnorren und war von einem Mann weggejagt worden. Er war zu blau gewesen, als dass er ihn hätte beschreiben können. Das war nicht viel, aber immerhin doch etwas, das sich zu verfolgen lohnen könnte. Es war ja möglich, dass er hin und wieder mal etwas klarer war und sich dann an mehr erinnern konnte.
Mit dem Rad fuhr Axel Richtung der Langebro. Ein Bulle fuhr nicht auf einem alten Herrenfahrrad, außerdem war seine Zivilkleidung tatsächlich zivil und nicht die Verkleidung der handelsüblichen Unruhestifter bestehend aus Skimütze, Kapuzenpulli, großer Steppjacke, Sportschuhen und Jeans oder Militärhose. Solche Beamte rochen Pusher und ihre Leibwächter hundert Meter gegen den Wind. Hinter der Langebro schwenkte er am Wall auf den Gehweg ein. Bei einer Bank hielt er an und holte sein Handy hervor. Hier hatte er einmal mit Cecilie gesessen, an einem Sommernachmittag, der zu einem Abend wurde, ohne dass sie es bemerkt hatten. Sie hatten geraucht und kaltes Bier getrunken und geredet und sich geküsst. Die Erinnerungen zerrten nicht an ihm, sie waren sehr weit weg, stellte er fest.
Keine Nachricht von Cecilie. Er vermisste seine Tochter. Ob ihr Streit Emma sehr getroffen hatte? Er versuchte sich einzureden, sie habe nichts mitbekommen, wusste aber, dass das nicht stimmte. Emma lief mit Mäuschenschritten um sie beide herum, wenn sie Meinungsverschiedenheiten hatten, aus Angst, jemanden zu verletzen. Fünf Jahre alt! Fuck you, Axel Steen. Die Loyalität eines Kindes ist grenzenlos. Emma war keine Ausnahme. Erwachsene, die ständig die Loyalität ihres Kindes auf die Probe stellten, standen ganz unten auf seiner Sympathieliste.
Axel stieg wieder aufs Rad, fuhr an den Wällen entlang, überquerte die Torvegade und folgte der Prinsessegade bis zu dem alten Haupteingang. Hier stieg er ab, schob das Rad an drei Wachen vorbei und erstickte alle Skepsis, indem er einem von ihnen zunickte, als ob sie sich kannten.
Die Buden entlang der Pusherstreet waren erleuchtet, und die Platten lagen neben Haschpfeifen und allen möglichen Ganjasymbolen und
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