Kommissar Steen 01 - Unruhe
sich zuwarf. Er schlug mit der flachen Hand auf das Autodach.
Henriette Nielsen stieg ebenfalls aus, den Mund offen vor Verblüffung.
»Was ist eigentlich los mit Ihnen? Was habe ich Ihnen getan? Ich habe versucht, freundlich zu Ihnen zu sein und vernünftig mit Ihnen zu reden, und Sie führen sich auf wie ein wilder Stier. Welche Informationen Sie bekommen, habe doch nicht ich zu entscheiden. Ich bin genauso daran interessiert, den Mord aufzuklären, wie Sie, ich will nur nicht riskieren, dass unsere Operation gefährdet wird. Wenn Sie so weitermachen, beende ich die Zusammenarbeit, denn ich habe keine Lust, mich ständig von Ihnen anpissen zu lassen.«
Axel hatte sich beruhigt.
»Okay, okay. Ich will nur gerne mit meinem Fall weiterkommen. Und es fällt mir schwer zu erkennen, dass es Interessenskonflikte zwischen Ihrer Operation und meinem Fall geben soll.«
Sie sagte nichts, sondern ging auf das Gebäude aus gelbem Backstein, Stahl und Beton zu. Bis vor Kurzem war es der Hauptsitz von Dänemarks größtem Wäschereikonzern gewesen, waseiner der Gründe dafür war, dass die örtliche Polizei es ›Das Waschbecken‹ nannte. Ein anderer war, dass die jetzigen Nutzer des Hauses ihre Hände stets in Unschuld wuschen und in aller Regel damit durchkamen. Dreck fiel eben einfach immer nach unten, und hier landete er im Schoß des polizeilichen Fußvolks, das sich nicht hinter Floskeln wie ›unter Rücksichtnahme auf internationale Interessen‹, ›vertraulich‹, ›Verschlusssache‹, ›kein weiterer Kommentar‹ oder der Trumpfkarte ›im Hinblick auf die nationale Sicherheit‹, die in Polizei- und Pressekreisen als unschlagbares Blatt gefürchtet war, verstecken konnte.
Sie betraten den Eingangsbereich, wo Axel einen Besucherausweis bekam, und gingen dann durch eine große Halle zum Aufzug. Zu seinem galoppierenden Puls hatten sich Magenkrämpfe gesellt. Vielleicht konnte er kurz zur Toilette und sich übergeben, bevor sie den Besprechungsraum erreichten? Oder würde ihn dann der Geruch verraten?
Im Laufe der Zeit hatte Axel an einigen Besprechungen teilgenommen, sowohl im alten Hauptquartier in Bellahøj als auch im Waschbecken. Meistens war es dabei um Fälle gegangen, bei denen der PET über Informationen verfügte, die man über Abhörmaßnahmen oder durch das Anzapfen eines ausländischen Nachrichtendiensts zusammengetragen hatte. War Letzteres der Fall, konnte man sie nicht benutzen, da sie mit Blick auf die Sicherheit der Quellen und die vertrauensvolle Kooperation mit anderen Diensten nicht öffentlich werden durften. Für den PET war gerade das überlebenswichtig und genau betrachtet auch nicht mehr als fair, fand Axel, dennoch hasste jeder Ermittler den Zustand wie die Pest, entscheidende Hinweise, aber nie Beweise zu einem Fall zu bekommen, die vor Gericht belastbar waren.
Der PET war mit den Jahren besser geworden, so viel musste Axel zugeben, obwohl die Tatsache, dass Jens Jessen dort arbeitete, bei ihm jedes Mal das Gefühl des Bloßgestelltseins hervorrief, wenn er mit den Mitarbeitern des Dienstes Kontakt hatte. Der PET hatte sich mit der Zeit gegenüber der Gesellschaft öffnen müssen, weil man aufgrund der wachsenden Terrorbedrohung in sehr viel höherem Maß auf Tipps und Informationen aus der Bevölkerung angewiesen war. Die Zusammenarbeit mit der Polizei war jetzt eher die Regel als die Ausnahme.
Henriette Nielsen führte Axel in die oberste Etage und in ein sehr geräumiges Konferenzzimmer, in dem Montana-Regale aus Kirschbaum, bestückt mit den Jahresberichten des PET und anderen ministeriellen Buchrücken und Berichten sowie ein Großbildschirm zur Ausstattung gehörten und ein Fenster Aussicht auf das flache Vorstadtidyll Søborgs bot.
Zwei Männer saßen an der Längsseite des Tischs, von wo aus man die Aussicht genießen konnte, auf der anderen Seite saß Darling. Als sie eintraten, erhoben sich alle von den Stühlen. Axel gab erst Kettler die Hand und streckte sie anschließend zögernd auch Jens Jessen entgegen, der ihm ein kurzes vertrauliches Nicken zuwarf und ihm zu seinem Entsetzen die Hand tätschelte, als hätten sie etwas gemeinsam und alles würde schon wieder gut werden. Jens Jessen setzte sich und forderte die anderen mit einer Geste auf, ebenfalls Platz zu nehmen. Axel fiel auf, wie ruhig Jessen war, kontrolliert, durchtrainiert, sein Blick strahlte Kompetenz und Aufmerksamkeit aus. Axel bemerkte Tics unterm Auge zur Nase hin, und die Frisur war wirklich
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