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Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Titel: Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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Schultern und Po. Waren aber noch gut wegzudrücken. Keine Anzeichen von Totenstarre. Der Unterkiefer war ganz leicht bewegbar, das Gebiss übrigens einwandfrei, sodass ich den Todeszeitpunkt jetzt auf circa vierzehn Uhr dreißig festlegen würde, maximal fünfzehn Uhr.«
    »Da wollte sie sich mit ihrer Schwester im Café treffen.«
    »Ist ihr halt etwas dazwischengekommen«, sagte Kern nüchtern. »Ja, was hab ich sonst noch für dich? Leichter Urinabgang, nichts Besonderes. Pluripara. Wahrscheinlich hat sie mehr als nur ein Kind zur Welt gebracht. Eine Narbe von einem vernähten Dammschnitt, wahrscheinlich nach einer Geburt. Unterleib und Organe waren intakt. Kein Sexualdelikt. Eine pumperlg’sunde Leiche, wenn du so willst. Länger zurückliegende Blinddarmoperation, ansonsten keine Eingriffe und keine Hinweise auf Krankheiten, Medikamenteneinnahmen oder Drogenmissbrauch. Im Magen war nicht viel drin. Letzte Mahlzeit war ein gesundes Frühstück: Müsli, Obst, Joghurt, wenn du’s genau wissen willst. Das Mittagessen hat sie ausgelassen. War ja auch sehr schlank: zweiundsechzig Kilo bei einem Meter achtundsiebzig. Nicht ausgeprägt athletisch, aber vom Körperbau und der Muskulatur her sportlich.«
    »Suizid können wir also zweifelsfrei ausschließen?«
    »Du kannst dich zwar aufhängen, wenn du deiner Kripoarbeit überdrüssig bist, Meißner, aber dich selber erwürgen oder mit einem Werkzeug erdrosseln, das kannst du nicht. Dafür bräuchtest du die volle Kraft deiner Hände.«
    »Aber am zu engen Kragenknopf kann ich schon sterben, oder wie?«
    »Nur, wenn du ein Carotis-Sinus-Reflextyp bist. Ich geb’s ja zu, so oft kommt das auch wieder nicht vor, und in den allerseltensten Fällen endet es dann auch noch letal.«
    »Dann müssen wir jetzt also nur noch den Mörder finden. Muss es ein Mann sein?«
    Kern zuckte mit den Achseln. »Schau mal rein in so ein Fitnessstudio, mit was für einem Kreuz da manche Frauen heutzutage rumlaufen. Wenn mir eine von denen beim Krawattenbinden partout helfen wollte, dann wär ich jetzt direkt vorsichtig.«
    »Ach komm, Kern, warum sollte denn so eine starke Frau gerade dir den Kragen umdrehen wollen?«
    »Das müsstest du dann herausfinden.«
    Meißner überlegte kurz, sich die Leiche doch noch einmal anzusehen, doch die Bilder, die bei der erwähnten Leichenstarre, Kälte und den Totenflecken vor seinem geistigen Auge entstanden waren, hielten ihn doch wieder davon ab. Außerdem hatte Kern ja gesagt, er müsse sie noch zunähen. Meißner spürte, wie sein Kreislauf bei dem Gedanken abrupt absackte.
    Schnell verabschiedete er sich. Während er den langen Flur zum Ausgang durchquerte, musste er an ein einziges, winziges und eigentlich ganz unbedeutendes Detail von Kerns Bericht denken. Fast schon eine Nebensächlichkeit. Der »Urinabgang«. Sie hatte sich also in die Hose gemacht, kurz vor ihrem Tod oder während sie starb. Das Detail rührte ihn mehr als der zerquetschte Hals. Der Hals beziehungsweise seine Zerstörung war das Werk des Täters gewesen. Der Urin hingegen war aus ihrem eigenen Körper geflossen. Ein Versagen des Schließmuskels in einem Moment höchster Not. Sie tat ihm schrecklich leid, und er fühlte so etwas wie persönliches Versagen, weil er sie in diesem Moment der Verzweiflung nicht beschützt hatte. Er kannte das Gefühl. Es hatte etwas eindeutig Neurotisches. Nur gut, dass er weder Frau noch Kinder hatte.
    Meißner trat aus dem Gebäude, ging zu seinem Auto und fuhr die achtzig Kilometer nach Ingolstadt zurück. Da praktisch die gesamte Strecke Autobahn war, brauchte er nur eine knappe Stunde. Als er die Ausfahrt Ingolstadt-Süd erreichte, identifizierte er das flaue Gefühl im Magen als Hunger und beschloss, auf dem Weg ins Präsidium noch eine Kleinigkeit zu essen. Bei einem Thai-Restaurant am Ring hielt er und bestellte eine Zitronengrassuppe. Sie war so scharf, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb. Er ließ sie laufen.
    Wann immer er die Ermittlungen in einem Mordfall leitete, wurde Meißner im Präsidium vom alltäglichen Kleinkram und Bürokratismus freigestellt. Ein ganz normales Vorgehen. Am Anfang einer Ermittlung hatte er seine vollen Kapazitäten noch nicht zur Verfügung. Erst ein paar kleine Erfolge und überraschende Details, die im großen Puzzle plötzlich an andere Teile andockten, brachten schließlich alle Räder zum Laufen. Am Anfang fühlte Meißner sich immer wie ein Maulwurf, der in ein fremdes Revier eindrang und ein ihm

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