Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich
Freigabe nicht ewig hinauszögern. Den Spieler würden sie am Abend kriegen, aber hatten sie damit auch den Mörder? Viktor Grünberg würde morgen oder übermorgen aufwachen, aber auch mit dem konnten sie wie mit all ihren Verdächtigen komplett auf dem Holzweg sein. Auf wundersame Zufälle konnten sie zwar hoffen, aber nicht mit ihnen rechnen.
»Ich versuche gleich noch, Kern zu erreichen.« Meißner stand auf. »Könntest du mir die Nummer des Theaterintendanten oder eines anderen Verantwortlichen heraussuchen? Wir sollten sie vor unserer Aktion informieren, sonst fühlen die sich wahrscheinlich ziemlich auf den Schlips getreten.«
Von seinem Büro aus rief der Hauptkommissar Dr. Kern in der Rechtsmedizin in München an.
»Ah, die Ingolstädter! Hast du ein Glück, dass wir personell unterbesetzt sind, sonst würd ich das Wochenende an einem schöneren Platzerl verbringen als in meinem Keller. Habt’s euren Mörder schon g’funden?«
»Kommt schon noch«, sagte Meißner. »Meinst du etwa, wir haben so viel Personal?«
»Ach, geh, wie viele Mordfälle habt’s denn da draußen im Jahr, einen, zwei? Da könnt’s euch doch wirklich net beklagen. Überarbeiten werdet’s euch damit schon nicht, oder? Eure Verbrecher haben wahrscheinlich noch gar nicht gemerkt, dass ihr euch seit Kurzem auch Großstadt schimpfen dürft.«
Kern hatte recht. In den vergangenen zwei Jahren waren es genau je zwei Mordfälle gewesen. Aufklärungsquote: hundert Prozent. Meißner wusste das und Kern auch. Der Mediziner studierte die jährlichen Polizeistatistiken des Freistaates immer sehr genau.
»Letztes Jahr habt’s ihr doch den vom andern Ufer g’habt, der sein Gspusi durch den Fleischwolf gedreht hat. Wenn dann mal was los ist bei euch, dann müsst ihr gleich wieder übertreiben. Es war doch ein Fleischwolf, oder täusch ich mich?«
Er täuschte sich nicht. Es war eine ziemlich unappetitliche Geschichte gewesen, die aber auch ihre anrührenden Seiten gehabt hatte.
»Der Clou bei der Sache«, sagte Meißner, »war ja der: Während der Mörder die Leiche seines Lebensgefährten in mühevoller Handarbeit zerstückelte, hat er sich die ganze Zeit liebevoll um seine pflegebedürftige Oma gekümmert, mit der er sich eine Wohnung teilte. Die hat von den Geschehnissen die ganze Zeit über nichts mitbekommen.«
»Sie hat wohl gedacht, dass ihr Enkelkind in der Küche tagelang Marmelade einkocht oder Sauerkraut hobelt. Und gerochen hat sie auch nichts? Stell dir doch mal vor, wie das gestunken haben muss. Bah!«
»Kern, wie sieht’s jetzt aus?«, unterbrach Meißner ihn, weil er auf die Vorstellung von solchen Gerüchen gut und gern verzichten konnte. »Können wir die Leiche freigeben? Hast du noch etwas gefunden?«
»Die Hautspuren unter ihren Fingernägeln stammen nicht von ihr. Es ist nicht viel, aber für einen Abgleich und die Überführung des Täters wird’s wohl ausreichen. Wobei – dazu musst du erst einmal einen haben, gell? War’s nicht sowieso der verlassene Ehemann oder ihr Liebhaber? Mensch, Meißner, das kann doch nicht der allerschwierigste Fall deiner Karriere sein!«
»Wenn du mittendrin steckst in der Ermittlungsarbeit, dann ist jeder Fall gleich schwer. Einer von den beiden hat uns jedenfalls angelogen, und der andere sagt zurzeit gar nichts. Der liegt nämlich lieber im Wachkoma. Der Gärtner war’s jedenfalls nicht.«
»Na, da bist du doch schon ganz schön weit. Gratuliere! Also, von mir aus könnt’s die Leich’ haben. Bei mir wird sie ja auch nicht frischer.«
»Gut, dann verständige ich die Angehörigen. Kann sein, dass ich dich noch mal brauche.«
»Is scho recht, Meißner. Die Ingolstädter Leichen sind eh die feschesten.«
Als Meißner Frau Seebauer, die Schwester von Roxanne Stein, anrief, fragte sie ihn nach Alba. Hatte er mit ihr gesprochen? Wie ging es ihr?
»Sie kommt wohl erst zur Ruhe, wenn wir den Täter haben«, sagte er.
»Das Mädel hat Angst, dass es sein Vater gewesen sein könnte. Ist das nicht schrecklich?«
Darauf wusste selbst Meißner keine Antwort. »Hatte Ihre Schwester eigentlich außer zu Viktor Grünberg noch andere Kontakte zu Theaterleuten?«
»Sie ist immer viel ins Theater gegangen, am häufigsten, als er hier das Engagement hatte. Das hat ihr viel bedeutet. Aber sie hatte bestimmt auch andere Kontakte neben Viktor. Haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Habe ich.«
»Und?«
»Er ist zusammengebrochen, als ich ihm vom Tod Ihrer Schwester erzählt habe. Ich
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