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Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Titel: Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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mit dem Ermittlungsrichter abgesprochen. Sie würden ihn auf jeden Fall nach der Vorstellung zur Vernehmung mit ins Präsidium nehmen und dortbehalten, wenn er kein wasserdichtes Alibi vorweisen konnte.
    Als der Gong ertönte, hatte sich das Foyer gefüllt. Viele Jugendliche waren im Publikum, wahrscheinlich aus einem der Ingolstädter Gymnasien. Leistungskurs Deutsch. Hoffentlich war ihre Mutter nicht als Lehrerin dabei. Marlu war sicher, dass sie ihre Tochter trotz der Maskerade sofort erkennen würde – und dass sie ihren Mund nicht würde halten können.
    Die meisten Jugendlichen trugen Jeans und T-Shirt, wenn auch nicht unbedingt die Gammelsorte. Auf der Toilette sah Marlu, wie die Mädchen sich prüfend vor den großen Spiegelwänden im Waschraum beäugten. In diesem Alter war alles so wichtig: der richtige Sitz der Hüfthose, das enge Oberteil, das knapp über dem Bund endete, Frisur und Make-up, die auf keinen Fall nach Frisur und Make-up aussehen durften.
    Hoffentlich erkennt mich keiner, dachte Marlu. Es wäre unmöglich gewesen, eine halbwegs vernünftige Erklärung für ihren Aufzug – vor allem für die Perücke – abzugeben. Sie betrat den Theatersaal über den linken Eingang und nahm ihren Platz ein. Reihe 6, Platz 26 lag relativ mittig. Die Reihen des Zuschauerraums waren ansteigend, sodass die Sicht eigentlich von jedem Platz aus gut war. Sie war froh, nicht ganz vorne zu sitzen und ein wenig Deckung zu haben. Sie schaute sich in dem schmucklosen Sechziger-Jahre-Bau um, ohne einzelne Personen aus dem Publikum genauer zu fixieren. Nur nicht auffallen. Die Betongalerie war unbesetzt. Stefan und die Kollegen waren nirgendwo zu sehen. Marlu bekam plötzlich so starkes Lampenfieber, als hätte sie selbst gleich einen Auftritt.
    Die Bühne war zum Greifen nah. Als Zuschauer fühlte man sich, als befände man sich zusammen mit den Schauspielern mitten im Stück, auf einer Ebene mit dem Spiel und den Spielenden.
    Die Bühne, eingespannt zwischen den rohen Sichtbetonwänden, glich einer Festung aus Acryl. Den Hintergrund bildete eine etwa vier Meter hohe Wand, die aus großen weißen Plastikquadern zusammengesetzt war. Dazwischen gab es schmale Durchgänge aus transparentem Acrylglas: das Atelier des Malers Conti, bei dem der Prinz von Guastalla ein Porträt seiner Geliebten, der Gräfin von Orsini, in Auftrag gegeben hatte: Das war es, was Marlu im Programmheft nachgelesen hatte. Der Auftrag für das Porträt liegt drei Monate zurück, und mittlerweile steht die schöne Gräfin nicht mehr in der Gunst des Prinzen an erster Stelle. Sein Herz gehört einer anderen: Emilia Galotti. Auch von ihr hat der Maler zufällig ein Porträt angefertigt, und als der Prinz das Bild entdeckt, entbrennen seine Gefühle und mit ihnen der Wunsch, die junge Frau zu besitzen, die bald verheiratet werden soll. Die strengen Regeln von Moral und Ehre gelten für ihn, den Mächtigsten in diesem Spiel, nicht. Leichtfüßig setzt er sich über sie hinweg und lässt Emilia entführen. Mit Hilfe einer List lockt er sie in sein Lustschloss, wobei ihm jedes Mittel recht ist. Auch als bei der Entführung der zukünftige Ehemann Emilias den Tod findet, wankt Guastalla nicht. Der Erfolg seiner Verführungsstrategie ist nicht sicher, erscheint jedoch möglich und greifbar.
    Im ersten Teil des Stückes war Gunter Naum als Emilias Vater nur kurz zu sehen. Marlu hielt den Atem an, als er die Bühne betrat. Was für ein Zeichen würde er ihr geben? Verdammt, darüber hatte sich keiner von ihnen Gedanken gemacht. Dazu gab es keine einzige Hypothese.
    Vorsichtig sah sie sich um. Rechts außen, nahe am Eingang, machte sie Holler ausfindig. Stefan und Elmar Fischer konnte sie nicht entdecken. Vielleicht hatten sie sich ja oben auf der Galerie bei den Beleuchtern postiert.
    Auf der Bühne wirkte Gunter Naum überhaupt nicht wie einer, der Roxanne Stein die gelben krakeligen Briefe geschrieben haben könnte. Doch natürlich konnte es auch die Rolle des gestrengen Vaters und Wächters der Ehre seiner Tochter sein, die ihn so starr und unnahbar erscheinen ließ. Sein Auftritt war kurz. Er bezichtigte seine Gattin, ihre Aufsichtspflicht gegenüber der Tochter vernachlässigt zu haben, indem sie sie allein in die Messe gehen ließ, wo der Prinz sich ihr in ungebührlicher Weise genähert hatte. In seiner Rolle wirkte Naum altmodisch, hölzern, richtig unsympathisch, und sosehr Marlu auch aufpasste, sie konnte kein noch so unscheinbares Zeichen erkennen.

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