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Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Titel: Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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weiterleben, unter diesen Gegenständen einer gemeinsamen Vergangenheit, die noch ihre Fingerabdrücke trugen, von ihren Vorlieben und Abneigungen sprachen, die stumm waren und doch unaufhörlich von der Vergangenheit erzählten? Was bedeutete es für ihn, dass seine Frau tot war? Dass nun zwischen ihnen für immer alles so bleiben würde, wie es zuletzt gewesen war. Dass es keine Entwicklungen und Veränderungen, keine Annäherungen, nichts Neues mehr geben würde? Dass alle Erinnerungen wie in einem plötzlichen Frost konserviert bleiben würden. So lange er lebte.
    Sicher, seine Erinnerungen würden verblassen, er würde sie einsortieren, vielleicht sogar verarbeiten und neue Einsichten gewinnen. Aber er musste all das allein tun. Sie konnte ihm dabei nicht mehr helfen, konnte nichts mehr für ihn tun, selbst wenn sie es gewollt hätte.
    Ihr Tod machte für ihn in Wirklichkeit nichts leichter. Vielleicht gab es einige Ausnahmen: Er musste nun seine Rente nicht mehr mit ihr teilen, und das Haus blieb ihm allein. Genauso wie die Kinder, die nun nur mehr seine waren. Aber auch die würden irgendwann weggehen, ihr eigenes Leben leben und nicht mehr wiederkommen.
    Meißner stand am Fenster und sah in die Dunkelheit hinaus. Er musste mit Carola reden. Er musste etwas tun. Alles war besser, als hier allein herumzugrübeln.
    Er trank sein Glas aus und ging noch einmal ins Badezimmer. Im Spiegel entdeckte er die Ringe unter seinen Augen. Das sah vielleicht interessant aus, machte ihn aber auch nicht jünger. Fünfundvierzig, dachte er und starrte in das Gesicht mit den Kerben zwischen Nase und Mundwinkeln, die immer schärfer wurden. Wie zum Trost strich er sich mit der Hand über das Kinn.
    Er wollte noch eine Nacht darüber schlafen und am nächsten Morgen entscheiden, ob er Carola oder jemand anderen anrufen sollte, mit dem er reden konnte. Eventuell auch über Marlu.
    Im Bett schlug er seinen Chandler-Krimi auf. »Der große Schlaf«. Der Titel hatte ihm gefallen, doch als er die Seite mit seinem Lesezeichen aufschlug, konnte er sich weder an die Personen noch an die Handlung erinnern. Nur an den Detektiv mit seinen coolen Sprüchen, an eine verworrene Geschichte mit jeder Menge Leichen und den durchgeknallten Töchtern eines greisen Generals. Er zwang sich zum Weiterlesen, hielt aber nicht weiter als bis zur nächsten Seite durch. Dann löschte er das Licht und versuchte einzuschlafen.

SIEBEN
    Als er am Morgen erwachte, erinnerte er sich an ganze Serien von Traumbildern. Mit noch geschlossenen Augen sah er ein Baby vor sich, ein Neugeborenes, das im Wasser schwamm, nein, eher tauchte wie ein Fisch. Es kam Meißner so vor, als kenne er dieses Kind mit den dunklen Haaren. Ein Junge. Er schwamm nicht in einer Badewanne, sondern draußen in einem See voller Pflanzen. Das Kind bewegte seine Ärmchen und Beinchen so schnell und wendig wie Flossen. Es schwamm und tauchte Richtung Ufer und blieb dort zwischen zwei aus dem Wasser ragenden Stängeln hängen. Meißner riss die Augen auf, als er erkannte, worum es sich bei den dünnen Ästchen handelte: Es waren die Beine eines Graureihers, der im flachen Uferbereich stand und mit seinem langen, spitz zulaufenden Schnabel auf das Wasser zielte, genau auf den Kopf des Jungen.
    Er sprang aus dem Bett, um das Traumbild abzuschütteln. Als er aus dem Badezimmer kam, klingelte das Telefon. Carola wollte wissen, wie es seinem Auto ging.
    »Ach, um das Blech und Glas wird sich die Werkstatt kümmern«, sagte er locker.
    »Bin ich daran schuld?«, fragte Carola.
    »Eher die Neuigkeit, die du vor dir herträgst. Wie weit bist du denn schon?«
    »Sechster Monat.«
    »Da hast du aber nicht lange gezögert nach unserer Trennung.«
    »So viel Zeit habe ich auch nicht mehr, Stefan.«
    »Jedenfalls hast du gestern toll ausgesehen.« Ups, das hatte er eigentlich gar nicht sagen wollen. »Du bist ziemlich erschrocken, als du mich im Auto erkannt hast, oder?«
    Sie verneinte.
    »Und wer ist der glückliche Vater?«, fragte er schließlich und bildete sich ein, ihren schneller gehenden Atem durch das Telefon zu hören. Sie zögerte mit ihrer Antwort.
    »Roland und ich werden heiraten und das Kind gemeinsam aufziehen.«
    Es war so, als habe er eine Ohrfeige bekommen. Das Ohr, an das er den Hörer hielt, fühlte sich taub an.
    »Und wenn ich der Vater bin?«
    »Du könntest es natürlich sein«, gab sie zu, »aber ich kannte Roland damals auch schon.«
    »Du hast mit ihm geschlafen, als wir noch

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