Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich
zusammen waren?«
»Ja«, sagte sie. »Genau wie du mit dieser, dieser Verkäuferin aus Großmehring.«
»Weiß er es?«, fragte Meißner, der keine Lust hatte, die alten Geschichten aufzuwärmen.
»Ja«, sagte sie knapp.
»Und ich weiß es nur, weil wir uns zufällig in der Stadt begegnet sind. Offenbar habe ich nichts mehr zu sagen.«
»Sag alles, was du willst.«
»Es wird ein Junge. Ich glaube, ich habe heute Nacht von ihm geträumt. Er konnte tauchen wie ein Fisch.«
»Das mit dem Jungen stimmt sogar«, sagte Carola. »Beim letzten Ultraschall habe ich es sehen können.«
Da klingelte sein Handy. Es war Marlu. Er ging kurz ran und versprach, sie gleich zurückzurufen.
»Wie früher«, sagte Carola. »Der Herr Hauptkommissar ist jederzeit im Dienst. Auch sonntags. Wer war es denn dieses Mal? Lass mich raten: vielleicht eine junge Kollegin?«
Obwohl Carola das überhaupt nichts mehr anging, fühlte Meißner sich ertappt. Wieso musste Marlu auch gerade jetzt anrufen, während er mit Carola telefonierte?
»Melde dich mal wieder«, sagte er möglichst ruhig. »Ich möchte, dass wir in Verbindung bleiben.«
»Gut. Dann bleiben wir in Verbindung.«
Er legte auf und machte sich einen doppelten Espresso. Für Cappuccino war er wie immer zu ungeduldig und vor allem zu faul, die Düse des Milchschäumers hinterher wieder sauber zu machen.
Eine halbe Stunde später betrat er das Präsidium. Mit Gunter Naum sei alles in Ordnung, berichtete der diensthabende Beamte. Die Prüfung seiner Personalien hatte nichts Besonderes ergeben. In dem Fall schienen sie es mit lauter unbescholtenen Bürgern zu tun zu haben, jeder von ihnen war ein kriminalistisch unbeschriebenes Blatt. Aber warum machten selbst solche Leute so merkwürdige Sachen wie anonyme Briefe zu schreiben oder sich vor einen Zug zu werfen?
Meißner rief in der Rechtsmedizin in München an, doch Dr. Kern hatte frei.
Es sei schließlich Sonntag, erinnerte ihn der Assistent freundlich und deutete an, dass er schon froh sein müsse, dass der Sonntags- und Feiertagsnotdienst noch nicht gänzlich eingestellt worden sei. Im Zuge der Sparmaßnahmen, so der Assistent, könne das nämlich als Nächstes passieren. Noch leiste man sich diesen Luxus, aber wer weiß, was die Zukunft brächte. Und ja, die DNA -Probe sei angekommen, aber sie werde mit Sicherheit erst morgen untersucht.
Marieluise saß in ihrem Büro am Computer. Wie jung sie war! Wieder hatte sie ihre Haare zu einem Zopf geflochten, mit dem sie zwar immer noch nicht wie die Unschuld vom Lande aussah, aber doch sehr mädchenhaft.
Sie lächelte ihm zu. Ihre braunen Augen hatten bernsteinfarbene Einschlüsse, die ihm vorher noch nie aufgefallen waren. Für einen Moment presste sie die Lippen zusammen, als müsse sie etwas zurückhalten, was herauswollte, aber nicht durfte.
»Hallo«, sagte sie dann nur. Es klang etwas verlegen. »Rebecca Reim hat mir eine erste Liste von den Insassinnen des Frauenhauses seit Juni und, soweit bekannt, ihrer Partner geschickt. Ich bin dabei, das Material auszuwerten und mit unseren Daten abzugleichen.«
»Hast du am Wochenende nichts Besseres vor?«
»Sonntag ist Aufräum- und Putztag«, sagte sie. »Nicht so schlimm, dass der heute ausfällt. Und du?«
Meißner winkte ab. Er fand, dass Sonntage kein wirklich gutes Thema waren, über das es sich lohnen würde, sich zu unterhalten.
Er ließ Naum aus seiner Zelle bringen. Der Schauspieler wirkte sehr ruhig, fast apathisch. Dass er in seiner Wäsche hatte schlafen müssen und sich am Morgen nicht hatte rasieren können, schien ihm gleichgültig zu sein. Er kam ihm weich und widerstandslos vor, also setzte Meißner die Vernehmung vom Vorabend fort.
»Wann haben Sie Frau Stein kennengelernt?
»Im Frühjahr. Sie war die Freundin eines Kollegen.«
»Von Viktor Grünberg.«
»Genau, Viktor. Sie kennen ihn auch?«
»Haben Sie noch Kontakt zu ihm?«
»Nein«, sagte Naum. »Er spielt jetzt an kleineren Theatern in München. Schlägt sich halt so durch.«
»Waren Sie Freunde?«
»Nicht wirklich. Er war nur für eine Saison hier in Ingolstadt.«
»Und was hat Sie als gebürtigen Wiener hierher verschlagen, in die oberbayrische Theaterprovinz?«
»Na ja, mit der Karriere am Burgtheater ist es halt nichts geworden. Irgendwann streckt man sich nach der Decke und nimmt ein festes Engagement an, wenn man es kriegen kann. Und es gibt ja durchaus Schlimmeres als das Ingolstädter ›Öltheater‹. Sie wissen sicher, dass es in
Weitere Kostenlose Bücher