Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich
kurz vor neun aus dem Theater raus.«
»Und Sie fanden kein Diktiergerät im Auto?«
»Nein.«
»Was haben Sie gedacht?«
»Ich war natürlich enttäuscht. Aber mit der Möglichkeit, dass sie irgendwann keine Lust mehr haben würde, musste ich ja immer rechnen.«
»Und?«
»Nichts und. Ich schrieb ihr einen Brief und schlug ihr ein weiteres Treffen vor. Im Theater. Aber das wissen Sie ja.«
»Sie wollten ihr ein Zeichen geben«, sagte Meißner.
»Haben Sie es nicht gesehen?«, fragte Naum.
»Wie haben Sie es angestellt, dass der Papierschnipsel – oder was es war – von oben auf die Bühne schwebte?«
»Der Beleuchter ist ein guter Freund von mir. Ich hab ihm gesagt, dass ich an der Stelle immer Probleme mit dem Text habe. Das sollte mir auf die Sprünge helfen. Ein schönes Zeichen, oder etwa nicht? Es war übrigens ein dünnes Metallplättchen, kein Papier. Wie eine Schneeflocke, die vom Himmel fällt.«
Meißner fand seinen Narzissmus abstoßend. »Sie bleiben also dabei, dass Sie mit dem Mord an Frau Stein nichts zu tun haben?«, fragte er.
»Nicht das Geringste.«
»Und Sie können sich auch nicht vorstellen, wer es gewesen sein könnte?«
Naum schüttelte den Kopf.
»Bei Ihren Beobachtungen und Vorbereitungen ist Ihnen nichts Seltsames aufgefallen? Kontakte, Begegnungen mit anderen Männern?«
»Ich habe ihr nie nachspioniert, wenn Sie das meinen.«
»Wo ist der Film, den Sie am Montagmorgen aufgenommen haben, an der B 13?«
»In meiner Kamera, die liegt in der Wohnung.«
»In der Schulstraße?«
Naum nickte.
»Den Schlüssel«, forderte Meißner.
»Den haben Sie doch bereits. Genauso wie mein Geld und mein Handy. Hören Sie, wie lange wollen Sie mich hier eigentlich noch festhalten?«
»Sie haben kein Alibi für die Tatzeit. Wir warten noch die Auswertung des DNA -Tests ab.« Damit ließ Meißner Naum in die Zelle zurückbringen.
»Fährst du mit in seine Wohnung?«, fragte er Marlu und kam sich wie ein Trottel vor, als sie ihm einen Korb gab.
»Ich muss erst noch die Liste von Frau Reim durchgehen. Wenn du dann noch dort bist, kann ich ja nachkommen.«
»Was machen eigentlich Fischer und Holler heute, Sonntagsspaziergang?«, fragte er.
»Die beiden statten der Villa Meisinger einen Besuch ab, draußen in Gerolfing. Wolltest du dabei sein?«
»Nein, danke.« Er winkte ab.
Der bemitleidenswerte Zustand seines Wagens veranlasste ihn, zu Fuß Richtung Innenstadt zu gehen.
Die Wohnung in der Schulstraße war die eines ordentlichen Junggesellen. Mini-Spülmaschine, Mini-Waschmaschine, die gleichzeitig ein Trockner war, dazu ein blitzender High-Tech-Herd, der aussah wie ein Computer. Einzig der frei stehende rote Kühlschrank schien eine Geschichte zu haben. Er brummte und sah aus wie ein Verwandter von Axel Hackes »Bosch«.
Nur die großformatigen Fotos aus Theaterstücken gaben überhaupt einen Hinweis darauf, dass der Bewohner Künstler und nicht Fernsehkoch war. Vom ordentlichen Schlafzimmer mit den penibel sortierten Schrankschubladen aus sah man hinüber zu den wuchtigen Türmen des Liebfrauenmünsters, einer ziegelroten spätgotischen Hallenkirche, die eher wie eine Burg aussah. Viele Großbauten in Ingolstadt hatten diesen Festungscharakter. In der Wohnküche fand Meißner im Bücherregal Naums Videokamera.
Er setzte sich an den antiken Sekretär, der aus K-und-K-Zeiten stammen musste. Naum war ein Pedant, der sogar seine Schreibtischschubladen ordentlich aufgeräumt hatte. Meißner fand das gelbe Briefpapier, die Umschläge, einen Bogen Briefmarken mit dem berühmten Selbstporträt Dürers mit dem langen Haar, außerdem eine Mappe mit weiteren Theaterfotos, alle in Klarsichthüllen abgelegt und nach Stücken oder Vorstellungen sortiert. Er blätterte sich durch die Mappe und fand Aufnahmen aus dem »Starken Stamm« vom letzten Mai. Naum und Roxanne Stein standen zusammen auf der Bühne, in Kostüm und Maske. Es gab Szenenfotos und eines vom Schlussapplaus, auf dem die Schauspieler Hand in Hand am Bühnenrand standen, lächelnd und sich verbeugend.
Er schaltete die Kamera an. Die erste Aufnahme war vom 25. August, sechzehn Uhr. Der 25., das war genau eine Woche vor Roxannes Tod.
Ein Park war zu sehen. Ein großer Spielplatz mit Kindern auf Schaukeln, Wippen und Klettergerüsten. Mütter, die auf Bänken saßen und sich unterhielten. Im Hintergrund ein auffälliges Gebäude. Meißner erkannte das Reduit Tilly, in dem das Armeemuseum untergebracht war. Der Klenzepark also,
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