Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich
Ingolstädter Kripo geht davon aus, dass sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.« Auf dem Foto lächelte Roxanne selbstbewusst in die Kamera. Sie trug ihr Haar offen, um den Hals hatte sie ihre Nikon hängen.
Kuska erwähnte die Themen, mit denen sie sich beschäftigt hatte. Meißner dachte, dass jemand sich des Materials annehmen sollte, das sie gesammelt hatte, und die Reportage zu Ende schreiben musste. Vielleicht könnte Rebecca Reim diese Aufgabe übernehmen, und Kuska könnte ihr dabei helfen.
Im Kulturteil hatte man eine Kurzgeschichte von Roxanne Stein abgedruckt. Sie war einfach und unspektakulär. Unter dem Titel »Schöne Aussichten« wurde der Weg eines Radfahrers durch Ingolstadt beschrieben. Die Erzählerin verknüpfte dabei Aspekte aus der tausendzweihundertjährigen Stadtgeschichte mit Bruchstücken aus dem privaten Leben des Radfahrers. Die »Hohe Schule« kam darin vor, an der Adam Weishaupt 1776 den Geheimorden der Illuminaten gegründet hatte, genauso wie die »Alte Anatomie«, die Bauten der Landesfestung Ingolstadt und die Pioniere, die an der Donau den Brückenschlag geübt hatten. Der Geschichte tat es nicht weh, dass sie ein Nachruf geworden war.
Auf dem Weg zur Arbeit rief ihn die Psychologin aus dem Schwabinger Krankenhaus an. Viktor Grünberg war dabei, aus dem Koma aufzuwachen. Ob er dabei sein wolle, sie sei gerade auf dem Weg ins Krankenhaus. Er musste noch ins Präsidium, bat sie aber, ihn auf dem Laufenden zu halten. Er würde sich später auf den Weg nach München machen.
Sie mussten Naum laufen lassen. Das Ergebnis der DNA -Untersuchung war negativ. Meißner zuckte mit den Achseln. Er hatte es geahnt.
»Willst du nicht selbst noch mit ihm reden?«, fragte Fischer.
»Nein, übernehmt ihr das lieber.«
Dann wollte sein Chef ihn zum Stand der Ermittlungen sprechen. Czerny hatte den Nachruf gelesen und vermutete den Täter im persönlichen Umfeld der Toten, eine Privatangelegenheit sozusagen. Da sich das öffentliche Interesse an dem Fall in Grenzen hielt, standen sie nicht unter allzu großem Erfolgsdruck.
»Ihr tut weiter eure Arbeit«, sagte er zu Meißner. »Und irgendwann werdet ihr ihn kriegen. So groß ist die Auswahl ja auch wieder nicht.«
Beim Hinausgehen klopfte Czerny Meißner jovial auf die Schulter, und der Hauptkommissar kam sich vor wie ein Lehrling, dessen Werkstück den Anforderungen des Meisters noch nicht so ganz entsprach.
»So groß ist die Auswahl ja auch wieder nicht.« Jetzt, wo sie den »Spieler« streichen mussten, war sie sogar noch kleiner geworden. Grote war die Spur, der sie als Nächstes folgen würden. Und wenn es keiner von denen gewesen war, die sie bisher auf der Rechnung hatten?
Dann mussten sie sich noch tiefer hineinwühlen in das Privatleben und das Umfeld der Toten. Nicht zu weit vorausdenken. Immer nur einen Schritt nach dem anderen tun. Wenn eine Tür zuging, tat sich meist eine andere auf. So war es im Leben wie auch in der Kriminalistik. Man musste die Tür nur sehen.
Meißner musste bei diesen Gedanken fast über sich selbst lachen. Sie klangen so zuversichtlich, als stammten sie von einem buddhistischen Lama oder einer erleuchteten Yogalehrerin. Und ausgerechnet er dachte so etwas! Er, der sich am liebsten in seiner Datscha verkroch und den großen Tieren beim Fressen der kleineren zusah. Der alleine beim Italiener saß und seine Weinflaschen daheim alleine leerte. Der anderen beim Leben zusah, Nachrufe las und Filme ansehen musste, in denen Tote Fahrrad fuhren. Okay, es reicht mal wieder, dachte er.
In der folgenden Einsatzbesprechung wies er Fischer und Holler an, Freyberg, den Witwer, noch einmal in die Mangel zu nehmen.
»Ihr werdet ihn hier vernehmen. Er soll herkommen. Aber lasst euch auf kein Gespräch zwischen Tür und Angel mehr ein. Er soll euch die Geschichte der Trennung noch einmal erzählen.«
Fischer rollte die Augen.
Ich weiß, nicht sehr spannend für dich, Bursche, dachte Meißner, aber da musst du eben durch. »Konfrontiert ihn mit den Aussagen seiner Tochter, seiner Schwägerin, mit dem Verdacht, den Grünberg geäußert hat. Lockt ihn aus der Reserve, nervt ihn.«
»Du hältst ihn aber nicht wirklich für den Mörder, oder?«, warf Holler ein. »Ich meine, ein Jahr nach der Trennung! Das ist doch ein bisschen viel Zeit für eine Affekthandlung, meinst du nicht?«
»Das können wir nicht wissen. Haltet einfach Augen und Ohren offen. Ihr wisst doch, wie das ist. Manchmal tut sich aus der
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