Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich
eingekastelt. Er hat Spenden für Tierschutzorganisationen eingesammelt, die dann auf wunderliche Weise auf seinem eigenen Konto gelandet sind. Um was für eine Summe es sich genau handelte, haben sie nie ganz rausgekriegt, aber für das, was sie ihm nachweisen konnten, hat er fast ein Jahr gesessen. In Wien. Ist allerdings schon fünfzehn Jahre her. Vor allem ältere Damen sind ihm damals auf den Leim gegangen.«
»Von wegen Karriere am Burgtheater«, schnaubte Meißner.
»Und was hat das nun mit unserem Fall zu tun?«, fragte Marlu.
»Keine Ahnung. Aber skurril ist das schon«, sagte Meißner.
»Also alte Omis abzuzocken, das finde ich ganz schön hart«, meinte Fischer.
»Aber Mord? Das passt doch gar nicht zu so einem Strizzi«, sagte Holler.
»Strizzi?«, fragte Fischer.
»Ich weiß auch nicht, wie ihr Franken dazu sagt. Ein Bazi halt.«
»Scho recht«, sagte Fischer und beließ es dabei.
»Kommt Frau Reim eigentlich?«, fragte Meißner.
»Schon unterwegs«, sagte Marlu.
Zehn Minuten später war Rebecca Reim da, als habe sie nur drauf gewartet, am Sonntag von der Polizei angerufen zu werden. Meißner kannte die zierliche Frau ja schon von den Filmaufnahmen. Im direkten Kontakt wirkte sie kühl und sachlich und steckte beim Reden entweder beide Hände in die Taschen ihrer grauen Stoffhose oder verschränkte die Arme vor der Brust. Sie trug dunkle Turnschuhe und eine schwarze, gerade geschnittene Lederjacke, und sie kannte die Frau auf dem Bild. »Sie heißt Helena Haschova und war Grotes Lebensgefährtin. Die beiden haben eine gemeinsame Tochter, Jana. Helena ist mit dem Kind weggelaufen, nachdem Grote sie eingesperrt und dann geschlagen hat.«
Marlu brachte ihr einen Becher Kaffee.
»Die drei lebten von ziemlich wenig Geld, weshalb es oft Streit gab. Sie wollte Geld verdienen, aber er ließ sie nicht aus dem Haus, wollte auch nicht, dass das Kind in den Hort ging nach der Schule. Und dann hat sie Arbeit in einem Modegeschäft gefunden. An ihrem ersten Arbeitstag hat er sie einfach im Schlafzimmer eingesperrt. Als sie nach einiger Zeit anfing, gegen die Zimmertür zu hämmern, öffnete er und schlug ihr ins Gesicht. Die Tochter war im selben Zimmer. Als Grote am nächsten Tag zu einem Kunden fuhr, kam sie zu uns ins Frauenhaus.«
»Und was hat er dann gemacht?«, fragte Meißner.
»Er hat sie gesucht und schließlich auch gefunden. Ist immer wieder vor dem Haus aufgetaucht und hat auf sie gewartet. Sie solle zu ihm zurückkommen, hat er gefleht. Hoch und heilig versprochen, er würde ihr nie wieder etwas antun. Wie alle Männer.«
»Und sie?«, wollte Marlu wissen. »Hat sie ihm geglaubt?«
Rebecca Reim schüttelte den Kopf.
»Gäbe sie ihm eine zweite Chance, könnte er ihr sehr wehtun. Und der Tochter vielleicht auch. Das habe ich ihr gesagt, als sie mich fragte, was sie tun soll.«
Meißner wollte wissen, wo Frau Haschova sich jetzt aufhielt.
»Wir haben ihr erst vor ein paar Tagen in München eine Wohnung vermittelt. Sie arbeitet dreißig Stunden, und das Kind geht nach der Schule in den Hort oder wird von anderen Müttern mitbetreut. Grote hat nicht erfahren, wohin sie verschwunden ist. Und das darf er auch nicht.«
»Und wenn sie doch zu ihm zurückgegangen wäre? Hätte es nicht sein können, dass er sich tatsächlich ändert?«, wollte Holler wissen.
»Vergessen Sie’s!«, sagte Rebecca Reim schroff. »Wenn Sie gesehen hätten, wie Helena bei uns ankam, würden Sie an so eine Möglichkeit nicht mal mehr denken.«
»Okay«, sagte Meißner. »Aber gab es irgendeine Verbindung zwischen Herrn Grote und Frau Stein? Ich meine, hat er gewusst, dass sie im Frauenhaus für ihren Artikel recherchierte?«
»Ich glaube nicht«, sagte Rebecca Reim. »Er durfte ja nicht ins Haus, und so häufig war sie ja auch nicht bei uns.«
»Kannte Frau Stein Frau …?«
»Haschova«, half ihm Marlu.
»Genau, Frau Haschova, danke. Hat Frau Stein mit ihr gesprochen?«
»Das weiß ich nicht mit Sicherheit. Wir achten allerdings sehr darauf, dass keine Namen und persönlichen Daten herausgegeben werden. Roxanne Stein musste alle Frauen anonymisiert zitieren. Es geht hier ja nicht um Einzelschicksale, Gewalt gegen Frauen ist schließlich ein gesamtgesellschaftliches Problem.«
»Wusste Frau Stein eigentlich, dass Frau Haschova die Lebensgefährtin ihres Nachbarn und sie praktisch in der Wohnung nebenan misshandelt worden war? Kannten sie sich noch aus der Beckerstraße?«
»Helena kam vor elf Monaten zu
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