"Kommst du Freitag"
viel Spontaneität und braucht viel Disziplin. Erstere wäre gutem Sex zuträglich, letztere ist es ganz und gar nicht.
Zweimal in der Woche machen es die Deutschen, angeblich, und finden das zu wenig, angeblich. Um auf den Score zu kommen, hätten wir es zweimal am Wochenende machen müssen, immer, egal in welcher Laune ich war, egal, welcher Stimmung er war; während der Sorgen um meinen Job, während der Sorgen um seinen Umsatzeinbruch, während jeder Anspannung aufgrund einer komplizierten Recherche, während ungerechter Bedrohungen seiner Firma durch das Arbeitsamt oder nach haarsträubenden Einbrüchen ins Restaurant, nach jedweden Krisen, Krankheiten, mittleren Alkoholvergiftungen nach rauschenden Partys, nach dem Tod meiner Großmutter oder dem Sterben seines Vaters.
In den Sexannoncen der Stadtmagazine und Boulevardblätter prangt gerne dieses Wort: „naturgeil“. „Naturgeile Nymphen warten auf Deinen Besuch! Ruf gleich an!“ Vermutlich löst dieses Wort in bedürftigen Männern die gewünschten Reflexe aus, auch wenn sie (im befriedigten Zustand) genau wissen, dass es alles ein großer Beschiss ist und das Naturgeile all dieser Nataljas und Consuelas aus dem Wedding in einer Portion Gleitgel bestanden hat. Ich habe für das männliche Anspringen auf solche Offerten dennoch großes Verständnis. Ich weiß nicht nur, wonach sich die Freier der Nutten zu sehnen scheinen. Ich habe mich auch nach dieser versprochenen Blitzbereitschaft gesehnt – dass einfach, wenn die Gelegenheit sich bietet, sich also das kleine Zeitfenster öffnete, ich auf der Stelle „naturgeil“ sein möge: Knips! Dass es mir so erginge, wie 13-jährigen geschlechtsreifgewordenen Jungs, wenn sie eine schöne Nackte sehen: Pling! Dass es mir einmal (oder gar: zweimal) in der Woche gelänge, so anzuspringen, wie frisch verliebten Männchen und Weibchen dreimal am Tag: Ready – Steady – Go!
Nun haben wir uns nicht mit unserem Filofax oder dem Palm hingesetzt, um einander Termine für unsere Nummern zu vergeben, womöglich noch mit aktivierter Erinnerungsfunktion. Wir haben auch nicht gesagt, och Mann, jetzt müssen wir ja noch den Scheißsex hinter uns bringen! Wir haben uns ganz normal unartig aufeinander gefreut; die Libido hat über all die Jahre eine passable Performance hingelegt und uns nie böse im Stich gelassen. Wir haben sogar die eine oder andere nette Location für unsere Zusammenkünfte getestet, darunter ein Motorboot im Schilf, das Auto sowieso, Treppenabsätze in fremden Hausfluren, den unvermeidlichen Küchentisch natürlich, das nicht verschließbare Pensionszimmer während einer Party, auf der wir nachher weiterfeierten; wir probierten den Strand immer mal, nur störte da der Sand; abzuraten ist vom Heuboden.
Aber egal, wann, wo und wie raffiniert oder routiniert man es treibt – wir hatten meistens im Hinterkopf: Freitagabend geht nicht, ist nicht unsere Zeit, weil das Fleisch müde und der Kopf voll. Wenn wir es Sonnabend nicht machen, muss es Sonntag sein. Wenn es Sonntag nichts wird, kriegen wir es dieses Wochenende gar nicht gebacken. Dann wäre erst wieder am nächsten die nächste Gelegenheit dazu, und dann lägen schon zwölf Tage zwischen diesem und dem letzten Mal. Ja, meine Güte, und wäre das denn noch normal, in unserem Alter?
Das irritierte, besonders, sagen wir, zwischen den Jahren zwei und vier unserer Fernliebe. Sich als junger Mensch vom Mythos zu emanzipieren, es „müssten“ schon „mindestens zwei Mal“ pro Woche sein, ist nicht ohne. Wenn man dannnoch zu glauben weiß, dass die meisten das als zu wenig empfinden … Aber, verdammt, es klappte nicht immer, und nicht immer, wenn es klappte, verdiente der Sex Bestnoten!
Die Kunstfertigkeit, ein Liebespaar zu bleiben unter diesen Bedingungen bestand darin, die wenigen gemeinsamen Tage nicht mit Erwartungen zu überfrachten – und trotzdem anzupeilen, es unbedingt zu treiben. Das hatte etwas Paradoxes. Besser, es irgendwie zu machen, als es gar nicht zu machen. Aber nur dann war die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass aus dem „Irgendwie“ ein Highlight wurde. Aus einem „Gar-nicht“ konnte keinesfalls ein Highlight werden.
Es klingt schlimmer als es ist. Spätestens, wie gesagt, wenn man ein Kind hat, ist diese Herangehensweise hilfreich, auch für Menschen ohne Fernbeziehung.
Die Alternative ist keine. Man kann natürlich darauf setzen, dass die Lust einen schon zuverlässig übermannen wird und man gierig übereinander
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