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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorit Kowitz
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altruistischen, überflüssigen, aber verwöhnenden Gaben.)
    Nein, es waren eher die Zahl, die Größe, die Umstände.
    Im Strauß steckte eine Karte. Darauf standen, in der fremden Handschrift des Fleurop-Händlers, Pauls Worte: „Hasse mich nicht. Aber ich bin trotzdem der Größte. P.“ Ich grinste, natürlich grinste ich.
    Zur Sekretärin sagte ich: „Ging so.“
    Abends trug ich den enormen Strauß hinüber in mein überteuertes Strohwitwen-Apartment und wurde dabei von den Leuten auf den Wegen, auf dem Spielplatz vorm Michel und dem Pförtner in meinem Wohnhaus angestrahlt, als wäre ich eine glückliche Braut ganz in Weiß.
    Das klingt jetzt ein bisschen wie Reklame für die Blumenindustrie. Aber es ist keine, mit Sicherheit nicht. Auf Dauer wird es zu teuer, Streits zwischen den Städten mit Buketts für 170 Euro beizulegen. Wären wir bei jedem Krach so verfahren, wären wir heute bitterarm. Und es hätte binnen kurzem etwas entsetzlich Routiniertes gehabt, Streit gleich Blumen gleich Hab-mich-wieder-lieb. So läuft das nicht.
    Nun sind wir besonders harmonie- un bedürftige Leute. Wir neigen ungünstigerweise dazu, Konflikte laut und ohne großes Federlesen auszutragen, durchaus vor Dritten, was mitunter peinlich werden kann. Wir hatten uns sogar an unserem Kennenlernabend gestritten (wenn auch nachher geküsst), darum gab man uns am Anfang unserer Beziehung kein halbes Jahr.
    Das muss ja nicht sein und ist zur Nachahmung nicht empfohlen; aggressive Menschen leben kürzer. Für uns war aber auch darum die Trennung von Tisch und Bett und Stadt die Rettung und die Chance unseres Lebens. Meine Insel hier und seine Insel da – und dazwischen viel Platz zum Freischwimmen, zum Planschen, zur Entfaltung, zur ganz persönlichen Verwahrlosung, zum strafbefreiten Nur-an-sich-denken. Der physische Abstand hatte den Soforteffekt, dasswir weniger streiten konnten, weil wir uns weniger sahen. Wo kein Kläger, da kein Richter. Wo keine Zicke, da kein Ziegenbock.
    Allerdings hilft das nur die Nichtigkeiten des Alltagstrotts zu umschiffen. Die Dosierung unserer Treffen und der ständig mögliche Rückzug in unsere zwei verschiedenen Häfen machten es uns leicht, nicht gegen die allzu offensichtlichen Klippen im Meer der Missverständnisse zu knallen: Wo keine gemeinsame schmutzige Pfanne, keine gemeinsame „falsch“ eingeräumte Spülmaschine, kein männlicher Klamottenhaufen auf dem Flur, keine weibliche verdurstende Zimmerlinde, keine vergessenen Pfandkisten oder sauer werdenden Milchreste sind, kann sich auch niemand darüber ärgern. War ich in seiner Wohnung, übersah ich seinen Kram. War er in meiner, übersah er meinen. Alles andere wäre Zeitverschwendung gewesen. Das hielt uns nicht davon ab, sich über die Unzulänglichkeiten des anderen lustig zu machen. Jedes Wochenende aufs Neue versuchte Paul, meine drei (in Zahlen: 3) darbenden Grünpflanzen zu retten. Eine überlebte sogar Hamburg II und Berlin II, hielt artig bis zu unserer späteren Hausstandsfusion durch, wo sie schließlich das Zeitliche segnete, was aber an einem Schädling lag.
    Das Herrliche an den zwei Leben, die in unserem gemeinsamen steckten, war: Im Großen und Ganzen fiel dieses ganze Generve um das Alltagsnichts zehn Jahre lang flach.
    Ich versuche bis heute, etwas vom Laisser-faire unserer Fernliebe ins sogenannte normale Leben einer Familie in einer gemeinsamen Wohnung zu retten. Paul würde bestreiten, dass es mir auch nur ansatzweise glückt, vermutlich zu Recht. Ihm gelingt es besser, oder sagen wir: offensichtlicher. Die Wahrheit ist, er übersieht die kleinen Unvollkommenheiten nach wie vor großzügig und macht seltener Ordnung, aber das gründlicher, effizienter und schöner. Ich erledige dagegentausende Kleinigkeiten, die irre viel Zeit kosten (meines Erachtens), die keiner bemerkt, ohne die es aber viel schwerer für ihn würde, derart formvollendet System in die Sachen zu bringen.
    Darum sind wir längst in die Alltagsfalle getappt. Wird heute der Verdienst des einen oder der anderen nicht ausreichend gewürdigt, führt das zu Genörgel. Genörgel führt zum Schimpfen. Schimpfen wird zu Krach. Krach macht schlechte Laune. Schlechte Laune kostet Lebenszeit. Selbige vergeudet zu haben, sickert in den Bodensatz der unguten Erinnerungen, bleibt dort liegen und fault. Der Bodensatz wird bei einem neuen Krach zum nächsten unwichtigen Genörgel wieder aufgewirbelt und mit neuer Masse angereichert. So entsteht ein Sediment, das die

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