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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorit Kowitz
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und, wie ich zugeben musste, zu altmodisch. Mann fragt Frau. Und basta. Allerdings hatte er in den Monaten zuvor versucht, die Lage zu sondieren. Paul fragte zum Beispiel auf anderen Hochzeiten: „Möchtest du auch gerne geheiratet werden?“ Darauf reagierte ich mit tödlichem Ernst und übertriebener Empörung. Ich sagte: „Darauf antworte ich nicht, so läuft das nicht“, und schmollte. Mag sein, dass das doch ein Signal war.
    Jetzt blitzte an meiner Linken dieser Diamant in diesem Ring, und das machte mich auf so irrationale Weise fröhlich, dass ich mir ein bisschen peinlich war. Phantom-Frau und Phantom-Mann werden heiraten! Es gibt sie! Ja, so weit war es gekommen. Aber ich habe vorgegriffen.

Sex, oder, auch, nicht
    Ein Morgen im Leben einer 26-jährigen Frau: Joggen gewesen, geduscht, die neue Jeans angezogen und die Lieblingsschuhe aus der Kategorie flach-trotzdem-stylish, Laptop eingepackt, den Mietwagen in der Leipziger Straße abgeholt. Weil sie keinen Golf da hatten, gab es einen 5er BMW, ohne den Verlag mehr zu kosten. Der Tag ist deiner. Um neun auf der Autobahn, pünktlich, das ist selten genug. Im Radio läuft gute Musik. Du fühlst dich ausgeschlafen, fit, schlank, schön und heiter.
    Du könntest nicht die Welt umarmen, aber ihn. Du lägest gern im Bett, aber nicht allein, sondern mit ihm. Du hättest jetzt gerne: ihn.
    200 Kilometer pro Stunde, huch, und so leise der Motor! Schönes Auto, schöner Tag, schöner Gassenhauer.
    Also, wenn du es recht bedenkst (vielmehr denkt es sich von alleine), hättest du jetzt wirklich, wirklich nichts gegen eine schöne, entschiedene Nummer in deinem schönen neuen Bett einzuwenden. „You can leave your hat on ...“
    Leider ist die 26-Jährige unterwegs in die falsche Richtung, nach Norden und zu sehr traurigen Bauern. Schweinepest in Mecklenburg; Reporterin im Einsatz. Sie parkt am matschigen Feldrain, kramt Block und Stift heraus und sieht in der Ferne schon tote Schweine an Kränen baumeln. Es hat zu nieseln begonnen. Sie töten heute Tausende, das nennt man Keulen. Die Kadaver werden verbrannt. Der kurze Lust-Anflug ist ihr sowieso längst vergangen, spätestens als sie vorhin im Auto auf Info-Radio umgestellt hatte. Da ging es ausschließlich um pestkranke Sauen, gefährdete Mehrheiten im Bundesrat und Tote im Kosovo. Das ist lustlos, spaßfrei und vertreibt liederliche Gedanken im Nu. In viereinhalbStunden müssen 180 Druckzeilen recherchiert und geschrieben sein.
    Im Vertreiben und Ignorieren der Lust bist du bist geübt wie jeder seriöse, berufstätige Mensch in fester Beziehung, mit dem Unterschied, dass du jetzt schon weißt: Du wirst heute keinen Sex haben und morgen nicht und wenn überhaupt, dann frühestens in vier Tagen. Denn dann ist Wochenende. Und am Wochenende muss erst wieder alles passen, die Laune, die Lust, die Gelegenheit. Und das mit 26.
    Das Schöne an einem Buch über meine Fernbeziehung ist, dass ich über Sex schreiben kann, ohne über Sex zu schreiben. Denn was meine Freude an schriftlicher Dokumentation desselben angeht, bin ich schüchtern und möchte es gerne bleiben. In einer Liebe auf Distanz geht es aber zunächst gar nicht darum, wie man es macht, sondern ob man es macht.
    Nur gut zwei Tage in der Woche sind Zeit, um zu poppen. Das sind maximal zehn Tage im Monat, von im Schnitt dreißig, minus Dienstreisen am Wochenende, Sonntagsarbeit, Besuche bei Verwandten, bei Freunden (da lässt es sich manchmal organisieren), Bauchschmerzentagen (ich) oder Schwarze-Laune-Tagen (er). Da schrumpfen die Gelegenheiten auf durchschnittlich sechs, sieben Tage im Monat zusammen. An denen hat man, bitte sehr, gefälligst Lust zu haben!
    Allein das zu lesen, macht einen doch rattenscharf, oder? Eben. Und wenn man dann noch am liebsten tagsüber ...
    Man kann es schönreden und am Anfang einer leidenschaftlichen Liebe noch wunderbar ausblenden, wenn kein Weg zu weit, keine Zeit zu kurz ist, um zur Sache zu kommen. Aber im Laufe der Jahre sieht man sich als Fern-Pärchen genötigt, sich die Lust vorzunehmen, den Sex zu organisieren, das Liebe-Machen zu planen. Das fühlt sich genauso an, wie es sich liest, nämlich total unheiß. Jedenfalls in jener Phase, in der man begreift und lernen muss, dass es ohne Verabredennicht geht. Jedes Paar mit Kindern weiß, wovon ich rede; zu so einem Elternwesen bin ich irgendwann selbst geworden. Aber wenn dieses ganze Geschlechtsverkehrs-Timing schon mit Mitte zwanzig anfängt, ist das blöd. Es kostet

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