"Kommst du Freitag"
herfällt, weil man sich doch mag, gefällt und gerade die Zeit miteinander verbringt. Das Vertrauen darauf kann aber geradewegs – in die totale Enthaltsamkeit führen. Das wäre wirklich ein Thema für all die findigen Sexualwissenschaftler dieser Welt: „Führt das Hoffen auf Spontansex in einer Fernbeziehung zwangsläufig ins Zölibat?“ Die Ergebnisse einer solchen Studie hätten gute Lesewerte auf den Vermischten-Seiten der Tageszeitungen, versprochen. Am besten in der Montagsausgabe platzieren, für die Pendler im Zug.
Das Gegenteil zu uns ist das Nur-Sex-Paar. Als dieser berühmte Wetteransager in Haft kam, weil er seine Freundin vergewaltigt haben soll, war das nach ein paar Tagen gar nicht mehr die wirklich interessante Geschichte, fand ich. Denn es stellte sich im Zuge der Ermittlungen heraus, dass der Fernsehmann drei bis vier Freundinnen und Geliebte hatte, zeitgleich, in verschiedenen Städten, auf zwei Kontinentenund offenbar für verschiedene Vorlieben. So lasen sich in den Zeitungen jedenfalls die verklausulierten Zitate aus den Ermittlungsberichten.
In jedem Hafen eine Braut. Und jede seiner Frauen dachte offenbar, sie sei die einzige und wahre.
Dabei hatte er die Geliebte, die ihn nachher bei der Polizei anzeigte, nur sporadisch alle paar Wochen besucht, immer in ihrer Wohnung. Sie kamen offenbar nur zusammen, um zu vögeln (zur Begrüßung), zu kochen, zu essen und, wenn es seine Zeit zuließ, nochmals zu vögeln. Dann ging der Wettermann wieder. Und das über elf Jahre hinweg. Sie träumte aus irgendwelchen Gründen trotzdem von einer gemeinsamen Zukunft mit ihm.
Die Geschichte klang bitterherb, schon ohne Vergewaltigung. Sie erzählte aber etwas darüber, wie identitätsstiftend Sex für eine Bindung ist. Und was es bedeutet, wenn er allein die Identität bestimmt.
Der Wettermann hatte seine Gelüste anscheinend ausgelebt wie ein Mitgiftjäger der Fünfzigerjahre, mit Lügen aus der Mottenkiste wie falschen Heiratsversprechen, angeblich unaufschiebbaren Kinderwünschen und, um sein monatelanges Fernbleiben zu entschuldigen, mit erfundenen schweren Krankheiten. Das wiederum warf ein hartes Licht auf die Frauen, die sich mit ihm abgaben. So muss es doch heute nicht mehr laufen, oder?
Als Helene mal eine einschlägige Affäre mit einem Typen aus München hatte, lief die eine Zeitlang parallel zu einer beginnenden Beziehung mit einem Mann in London, die Helene als eher ernstzunehmend einstufte. Der Mann in London wusste von dem Münchner, weil es den schon vor ihm gegeben hatte. Der Londoner machte Helene keine Vorschriften; er wartete ab, ob sie sich von allein für ihn entscheiden würde. Er war Mitte vierzig, geschieden und enorm smart,abgesehen davon, dass er an Paul Newman erinnerte. Als Paar sahen die beiden so unglaublich schön aus, dass man geneigt war, sich die Augen zu verschatten, so blendete das. Helene, die dauernd Eifersüchtige, war ausreichend verwirrt über die Großzügigkeit des Londoners. Sie fuhr aber vorderhand zweigleisig, denn sie fühlte sich auf unverschämte Weise gut damit.
Es geschah ihr in dieser Phase etwas Heilsames: Helene verspürte keinen Drang, Kontroll-Mails zu schicken, weder dem einen noch dem anderen. Wem sollte sie auch argwöhnen in ihrer Lage? Sie war das böse Mädchen.
Denn mit dem Münchner gab es das stille Einvernehmen, dass der vordringliche, wenn nicht einzige Grund sich zu sehen Sex war. Flog sie zu ihm, ein- bis zweimal im Quartal, holte er sie ab. Die Worte und Gesten in seinem Auto auf dem Weg vom Flughafen Franz-Josef-Strauß zu seinem Penthouse gerieten zum Vorspiel. Sie begannen das Wochenende mit Sex, sie setzten es mit Sex fort und beschlossen es mit Sex. Die Affäre endete freundlich, als sich der Mann ernsthaft in eine andere verliebte und Helene allein für den Londoner die Frau der Frauen sein wollte (bis auf weiteres). Darüber, wie sie es mit ihm im Bett hielt an den zwei Wochenenden des Monats, die sie sich sahen, verlor sie übrigens nie ein Wort. Das war ein gutes Zeichen, es schien wirklich etwas Ernstes zu sein.
Im Freundeskreis habe ich die Erfahrung gemacht: Je mehr ein Paar miteinander verbindet, desto weniger redet es mit der Außenwelt übers Bett. Noch weniger reden Paare darüber, die pendeln. Ausgenommen von dieser Regel der Verschwiegenheit sind Seitensprünge und andere Notlagen, die den jeweils anderen seelisch verletzt haben oder körperlich bedürftig werden lassen.
Über den Wochenend-Sex von Milla und
Weitere Kostenlose Bücher