Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorit Kowitz
Vom Netzwerk:
Carsten weiß ich darum nur so viel, wie es diese Ausnahmesituationen zuließenund sie mir davon preisgab. Ihr Ausgangsniveau als Paar war hoch, das war nicht zu übersehen; sie zogen sich in Hamburg an wie Magneten und entdeckten ihre Körper wie die ersten Menschen. Milla, die Coole, Intellektuelle, Schlagfertige, wisperte mir damals in einem Moment der Verzückung zu: „Er ist so leidenschaftlich, so un-glaub-lich leidenschaftlich.“ Sieben Jahre später, als sie nach München ging und Carstens Schweigen in der einen oder anderen Krise schon winzige Splitter in ihrem Herzen hinterlassen hatte, eilte sie auch darum trotzdem nach Berlin in seine Arme, weil sein Körper ihr wie ein Zuhause war.
    Als sie begannen, über ein Kind zu verhandeln und er keines wollte, verging ihr die Lust. Als sie (gemeinsam) abmachten, dass sie doch die Spirale entfernen „durfte“, verging ihm die Lust. Er entzog sich ihr und das, wie es seine Art war, ohne Angabe von Gründen. Aber die lagen natürlich auf der Hand.
    Ich ahnte, wenn Milla schwanger würde, wäre diese Liebe tot. Und Milla ahnte das auch.

Streit und Rosen
    An einem Montag in Hamburg, meine Augen brannten, mein Kopf schmerzte, sah eine unserer Sekretärinnen einen Boten mit einem riesigen Strauß roter Rosen durch die Empfangshalle des Verlages irren. Das heißt, sie sah nicht wirklich den Boten, sondern nur den Strauß sich bewegen. Der Bote war lediglich dahinter zu vermuten, denn die Rosen verdeckten seinen Oberkörper vollkommen. Die Sekretärin lachte sehr, als sie das Gebinde nachher auf meinen Schreibtisch wiederfand und mich dahinter nur schwer entdecken konnte: Mir also waren die 51 langstieligen, riesenköpfigen, tiefstroten Prachtexemplare zugedacht worden. Aber von wem? Die Neugierde sprang ihr sensationslüstern aus den Augen. Dass es mein langjähriger Freund gewesen sein mochte, schloss sie offenbar aus.
    Der Strauß füllte das neun Quadratmeter große Büro schier zur Hälfte; er muss mehr als einen halben Hartz-IV-Satz gekostet haben. Wahnsinn. „Na, da scheint ja einer schwer in dich verschossen zu sein“, sagte sie fragend und ein bisschen süffisant, wie mir schien. Aber wie erwähnt, es war Montag, und ich litt unter der Folter des Schlafentzugs.
    Unsere zweite Sekretärin gesellte sich hinzu. Sie hatte mehr Ahnung von den Abgründen des Lebens und stellte ohne große Umschweife fest: „Na, das scheint ja eine größere Verfehlung gewesen zu sein.“
    Ich weiß nicht, was eine attraktive, aber menschlich diffizile und geschiedene Sekretärin um die sechzig darunter verstanden hatte. Vermutlich dachte sie in den Erfahrungsmustern ihres eigenen Lebens und dass Paul mich betrogen haben musste. Je teurer der Strauß, desto größer die Verfehlung, oder so.
    Hätten aber 51 Stück Drei-Euro-Fuffzig-Rosen schon seinen Fremdsex mit einer anderen abgedeckt? Wäre das nicht eher einen Diamanten wert gewesen? Wie auch immer, Paul war nicht fremdgegangen.
    Er ist nie fremdgegangen. Ich habe es mit einem Sekt-oder-Selters-Mann zu tun, ganz oder gar nicht. Er tut es mit mir und sonst mit niemandem. Und er verlangt von mir, das ebenso zu halten, sonst wäre es aus. Ich finde das nicht zwingend logisch, aber konsequent und darum sexy. Vielleicht machen das die unbewussten Übertragungen von Überresten des katholischen Glaubens in mir, der meinen Vorfahren mütterlicherseits über Jahrhunderte hinweg eingetrichtert worden war. Vielleicht reicht mir der eine Mann aber auch einfach nur aus.
    An jenem Sonntag vor dem Montag hatten wir uns gestritten wie ... wie die Kesselflicker klingt zu niedlich. Treffender wäre zu sagen: wie Feinde. Ich weiß nicht mehr, worum es ging. Ich weiß nicht mal, ob ich es an dem Montag nach dem Sonntag noch genau wusste, vermutlich aber schon. Die 51 Rosen waren ein Zeichen dafür, dass es eine größere Session gewesen sein muss, deren Verkrampfungen wir entgegen unseren Gewohnheiten nicht mehr imstande waren, noch vor meiner Abreise zu lösen.
    Vermutlich hatten die Türen geknallt. Vielleicht ist etwas kaputt gegangen. Ich habe mit Sicherheit üble Schimpfwörter gebraucht (das kann ich zuverlässig sagen, denn es stimmt für krasse Streits immer). Sehr wahrscheinlich haben wir einander anbrüllend alles infrage gestellt, also uns. Darauf lassen nicht die Rosen als solche schließen; Blumen bekam ich von Paul immer mal wieder und meistens überraschend geschenkt, einfach so. (Leider neige ich meinerseits nicht zu solchen

Weitere Kostenlose Bücher