Kommt ein Löwe geflogen
das Rad anhielt und die Gondel hin- und herschwankte und unter ihnen die Festwiese zu schaukeln schien, schloß das Kamel die Augen und stöhnte: »Oh, wie sehne ich mich nach einem guten Hotelbett!«
»Ha!« rief dagegen der Sultan. »Wie köstlich wäre es doch, Budenbesitzer zu sein. Wir gehen jetzt ins Bierzelt!« Er drängte seine Gefährten durch die Menge der Besucher, die ihnen trotz der Überfülle staunend Platz machten, in eine der riesigen, aus Zeltplanen aufgebauten Hallen, über deren Eingangspforte ein mächtiger Löwe aus Pappe laut grunzend einen Bierkrug an die Schnauze hob.
»Guck«, sagten die Leute drinnen, »da kommt der Bierlöwe!«
Totokatapi gelang es mit viel Mühe, noch einen Tisch zu finden, und so saßen sie bald vor großen schäumenden Maßkrügen, tranken, leckten oder wischten sich den Schaum vom Mund, tranken wieder, fühlten die Schwere des braunen Getränks in den Gliedern und im Kopf, fühlten sich in einem sanft nebligen Zustand versinken, in den hinein die Blasmusik jubelte und schmetterte.
Löwe in der Kiste
»Kinder«, sagte der Sultan plötzlich, »ich habe eine Idee: Wir eröffnen die sensationellste Bude der Festwiese...« »Oje«, maunzte das Kamel.
»Ööö?« brummte Löwe fragend.
»Und das wäre, erhabener Sultan Budenbesitzer?« fragte Totokatapi respektlos.
»Kommt mal näher mit euren Köpfen!« sagte der Sultan und flüsterte: »Das war wirklich noch nie da: Wir lassen die Leute kostenlos auf dem fliegenden Teppich über den Platz segeln.«
»Hurra!« rief Totokatapi.
»Aber ohne mich!« sagte das Kamel.
»Das wird ein Spaß!« rief Löwe.
Kurz darauf waren sie alle vier verschwunden.
»Aber ich habe sie bestimmt hier reingehen sehen!« sagte der »Hau-den-Lukas«-Budenbesitzer zum Schutzmann Poch, den er gerade getroffen hatte. »Sie müssen unbedingt etwas unternehmen. Es geht doch nicht, daß ein Löwe hier frei herumläuft.«
»Hier sind sie aber nicht«, brummte Poch zur Antwort, er hatte keine Lust, jetzt Dienst zu machen.
Nein, die vier standen wenig später vor dem fliegenden Teppich, den sie hinter dem Denkmal hervorgeholt hatten, auf einem winzigen Stück Wiese an der Rückseite des Bierzeltes unter einer Laterne — das heißt, der Sultan saß im Türkensitz auf dem Teppich, Löwe und das Kamel hatten sich wirkungsvoll dahinter aufgebaut, und Totokatapi stand davor und rief laut: »Kommen Sie, kommen Sie: Der einzige fliegende Teppich der Welt. Freihändig gesteuert und gelenkt von dem erhabensten, allmächtigsten, ehrwürdigen Sultan. Die allererstklassigste Sensation des Rundum-Rummelfestes — das werden Sie nie wieder erleben. Setzen Sie sich auf den Teppich. Es kostet Sie nichts, heute nur Freiflüge. Kinder bekommen einen Lutschbonbon geschenkt. Sie fliegen lautlos über die Festwiese — einzigartig — unwahrscheinlich — unvergeßlich!«
»Uaa!« brüllte Löwe zur Bekräftigung, und auch das Kamel versuchte ein aufmunterndes Wiehern.
»Mit deinem Meckern wirst du nur die Leute verscheuchen!« zischte Löwe.
Das Kamel ließ beleidigt seine Unterlippe hängen.
Der Sultan lächelte in die Gesichter der Menschen, die stehengeblieben waren. Nun trauten sich auch die ersten auf den Teppich. Sie dachten, es sei doch nur ein Spaß.
»Halt!« rief Totokatapi. »Immer nur zehn Personen, immer nur zehn Personen.«
Der Sultan rieb die Hände gegeneinander — und dort, wo eben noch ein Teppich mit zehn Menschen und einem Sultan darauf gelegen hatte, war nun nur noch ein leeres Stück Wiese, an dessen Rändern viele Menschen und Löwe, Totokatapi und das Kamel standen und die Gesichter in die Höhe reckten, wo der Teppich mit seiner kreischenden, kichernden, lachenden Fracht aufstieg und in mäßiger Höhe über die Budendächer, Karussells und Vergnügungsstätten schwebte.
»Hurra!« schrie man überall, warf Mützen, Stöcke, Schirme, Brezeln und Tücher in die Luft. »Das ist wirklich das Tollste, was die Festwiese je geboten hat.«
Dieses Gejohle hörten der »Hau-den-Lukas«-Budenbesitzer und der Polizist Poch von ferne und dachten, daß da der Löwe vielleicht sein könnte.
Löwe war auch da — aber er flüsterte gerade Totokatapi ins Ohr: »He, ihr braucht mich hier doch jetzt nicht, oder? Gib mir mal zwei Mark, ich schlendre nur mal schnell zu der Bude rüber, wo die Anita mit der Riesenboa tanzt und lebendige Menschen von der Bühne verschwinden.«
»Es ist mein letztes Geld«, sagte Totokatapi, »viel Spaß! Komm bitte
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