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Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Titel: Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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Mikrophon, wiegte die Hüften und verbeugte sich. Er zog ein lahmes Bein hinter sich her, kauerte sich hin und klopfte eine eingebildete Zigarre ab.
     
    Die nächstgelegene Stadt hieß Hillcrest, einer jener Orte, die nur einem Zweck dienen, mit einer zweifelhaften Wasserquelle, mitten im Nirgendwo entsprungen. Ray erzählte Samson, Clearwater werde jede Woche von Lastwagen aus Los Angeles mit Lebensmitteln und anderen Verbrauchsgütern versorgt: Perrierflaschen, frischen Baguettes, Kaffee, gefrorenem Lachs. Die Laborleute fuhren aus Langeweile in die Stadt, um im Wal-Mart-Discount oder im Charity-Laden der Christenbrüderschaft herumzustöbern. Es war eine Stadt, die schleifend zum Stillstand kam, wenn zum Zapfenstreich geblasen wurde. Die Leute stauten sich am Fußgängerüberweg und grüßten die untergehende Sonne vor einem nuklearen Himmel. Durch die Nacht tönet sacht unser Lied. Eine Stadt aus der Zeit nach dem Kalten Krieg, die sich als Oase für den Ruhestand darbot: auf Hochwüstenniveau, dreihundertfünfzig Tage Sonnenschein im Jahr, kein Smog, fünfunddreißig Kirchen, Gemeindeveranstaltungen, das Tor zu zahllosen Erholungsstätten. Behaglich eingebettet in die Beuge des größten geschlossenen Landbesitzes der Marine, zweitausendsiebenhundert Quadratkilometer Raketentestgelände. Alles ruht, Gottes Hand schützt uns gut.
    Er war dort, aber er konnte jederzeit gehen.
     
    Donald war ein Input, einer der bezahlten Freiwilligen, die ausgewählt worden waren, eine spezifische Erinnerung zu spenden, über die sie gemeinsam mit dem Clearwater-Labor befunden und eine Vereinbarung getroffen hatten: die neuralen Muster, Synapsenimpulse, Axon-Dendriten-Verbindungen in Milliarden Datenteilchen zerlegt und in Gigabyte-Größenordnungen gespeichert. Während der Input mit einem großzügigen Scheck in der Tasche im Mietwagen wieder nach Hause fuhr.
    Donald hustete und sah sich um, wohin er spucken könnte.
    «Ich sag’s dir, nimm die Stadt, die am schnellsten wächst in Amerika, und irgendwann erreicht sie ein gestecktes Ziel. Hätt ich sechzehn Kilometer näher dran gekauft, hätt ich pro Hektar mehr blechen, aber nicht so lange warten müssen. Am Ende wollte ich die sechzehn Kilometer extra lieber abwarten. Kommt mehr bei raus.» Er rieb zwei Finger aneinander. «Mehr Knete, verstehste?»
    Donald machte auf Jack Nicholson, Wayne Newton, Marlon Brando. Unter der Dusche machte er auf Elvis. «Der ist leicht», sagte er zu Samson, dann zog er sich aus, drehte das Wasser auf und fing an zu brüllen. Das Unterhaltsame war nicht so sehr ihre Ähnlichkeit (Samson brauchte lange, um die Personen zu identifizieren, und oft gelang es ihm gar nicht – ein Manko, das Donald seinem Problem mit der Erinnerung zuschrieb), sondern die Lebenskraft, die sie Donalds sonst ruhigem Gesicht verliehen.
    «Was glotzste mich an?», sagte Donald, indem er einen unsichtbaren Revolver aus dem ausgeleierten Hosenbund zog.
     
    Es war fünf Uhr nachmittags, und Donald langweilte sich, nachdem er den Clearwater-Pool inspiziert, aber kein junges Blut erspäht hatte. Es gab ein paar Teenager, halbwüchsige Töchter mit strähnigen Haaren, die werktags in den Bus stiegen und zu Schulen mit Indianernamen fuhren, Mädchen, die so verzweifelt irgendetwas erleben wollten, dass sie sich vielleicht sogar dazu herabgelassen hätten, mit Donald zu reden. Zum x-ten Mal unterbrach er Samson beim Lesen, diesmal bei der neuesten Nummer des Time Magazine – People hatte er mittlerweile satt. Donald versuchte ihn zu überreden, sich ein Taxi nach Vegas zu teilen. Er bestand darauf, sie könnten rechtzeitig zum Beginn einer Show dort sein.
    «Was willste, Zauberei? Mädchen? Du bestimmst. Also was, lebende Tiere?»
    Samson blätterte um.
    «Wir bleiben über Nacht und sind zum Mittagessen wieder da. Sie merken nicht mal, dass wir weg sind. Was kümmert sie’s? Wir haben die Papiere unterschrieben.»
    Samson hatte zwei Papiere unterschrieben, die Ray ihm nach seiner Ankunft in Los Angeles vorgelegt hatte, eine Geheimhaltungsverpflichtung und eine Ermächtigung, die dem Clearwater-Labor gestattete, sein Gehirn zu untersuchen, aber das war auch alles.
    «Lass mich raten: Du warst noch nie in Vegas. Hör zu, wir müssen die Botschaft unter die Leute bringen. Damit die Leute was vom guten Leben erfahren, und wie billig es ist. Nicht von den üblichen Sachen, Poker oder Striptease, sondern von den Golfplätzen mit 18 Löchern, den guten Schulen, der

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