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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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Chance zu geben, sich wichtig zu machen. Es war auch die Chance, sie für irgendwelchen Krimskrams zu loben. Windler liebte dieses Spiel, bei dem seine Untergebenen um seine Aufmerksamkeit kämpften. Das tat Windler in seiner Seele gut und er zeigte sich gnädig. Auch Baumer hieß er schließlich, mit einer aufmunternden Armbewegung, von seinen weiteren Ermittlungen berichten. Baumer folgte der Aufforderung. Er erzählte von Tonis Freundin, die an einer Überdosis gestorben war. Von Tonis kriminellen Freunden in seiner Gang.
    »Na, also. Sehen Sie, Kommissar Baumer«, sagte Windler mit charmanter Stimme. »Der Mann ist durchgedreht, weil seine Freundin hopps gegangen ist. Und wenn er in so einer Gang zu Hause war, dann hat er wahrscheinlich auch die Aggressivität in seinen Genen gehabt. Klare Sache. Der Mann war latent gefährlich und dieser Schock hat ihm dann die letzte Sicherung gesprengt.«
    »Ich glaube, da ist mehr dahinter«, sagte Baumer trocken.
    Windler ging hoch wie eine Rakete. »Lassen Sie Ihre verdammten Drecksfinger davon«, kreischte er wie eine hysterische Frau und erschreckte mit seinem Wutausbruch die ganze Runde. Die erste Reihe bekam Windlers Speicheltropfen ins Gesicht. Baumer saß still.
    Jetzt warf Windler das kleine Stehpult um. Es schepperte an die Wand. Holz splitterte. Die anwesenden Polizisten, jung und alt, Mann und Frau, waren in ihren Stühlen erstarrt wie Kinder im Kindergarten, wenn der Santaklaus an die Tür klopft. Wer nicht erbleichte, hatte natürlicherweise zu hohen Blutdruck.
    Windler ging auf Baumer zu. Da dieser in der zweiten Reihe hockte und er nur bis an die erste herankam, presste er sich – ohne dass er es selbst merkte – zwischen die Oberschenkel der zwei Polizisten, die vor Baumer saßen. Diese hielten ihre Beine krampfhaft zur Seite und drückten sich weg.
    Windler stieß seinen spitzigen Finger auf Baumer hinab und schäumte. »Ich sag es nur einmal. Lassen Sie Ihre verdammten Drecksfinger von diesem Fall.« Windler starrte Baumer an.
    Baumer saß still, sah dann weg, schaute aus dem Fenster. Draußen rieselte leise der Schnee. Dann bewegte sich Windler endlich von der ersten Reihe weg. Drehte sich um seine Achse. Die zwei Polizisten, die er weggeschoben hatte, einer davon war der Gefreite Meier, getrauten sich kaum, wieder eine normale Sitzposition einzunehmen.
    Der Chef der Kriminalpolizei streckte sich, zog am Revers seines Kittels, richtete mit beiden Händen seine silbrige Haarpracht, die auseinandergefallen war. Schließlich hatte er sich wieder eingeklinkt. Er begann zur Wand zu sprechen. »Ich will nicht, dass Sie hier Staub aufwirbeln, wo keiner ist. Der Fall ist klar. Motiv und alles ist da.« Er machte eine Pause, drehte sich um und sagte dann in einem Versuch, seinen Ausbruch zu rechtfertigen: »Der Mord an Stankovic ist bereits gerächt. Toni ist tot. Der Gerechtigkeit ist Genüge getan. Wichtig ist jetzt, dass kein Rauch entsteht, wo kein Feuer ist. Wir müssen gesamtheitlich denken.« Sein Blick strich über seine Leute, als wäre er Napoléon, der mit dem Fernrohr den Horizont in der russischen Steppe absucht. »Oberstes Gebot«, fuhr Windler fort, »ist, dass Basel keinen Schaden nimmt. Zu viele Arbeitsplätze hängen hier vom Tourismus und von den Messen ab. Die Geschäftsreisenden müssen beruhigt sein. Ich will hier keinen Trouble.«
    Jetzt erst schienen die Leute im Raum zu atmen zu beginnen. Sie rutschten in ihren Stühlen herum, räkelten sich. Schauten einander an, murmelten etwas zum Nachbarn wie »Kann ich schon verstehen«, oder »Na ja, ist klar« oder nur: »Ja.«
    Baumer dachte: »Nein!«
    Heinzmann wusste nicht, was er dachte, weil er zu aufgeladen war. In seinem Hirn, in seinem Bauch, ja im ganzen Körper bis hinunter zu den großen Zehen rumorte es. Irgendetwas war hier faul. Heinzmann misstraute Windler.
    Windler drehte sich zum Fenster. Jetzt stand er im rechten Winkel zu Baumer. Er schaute einen Radiator unter dem Fensterbrett an. Der Chef der Kriminalpolizei sprach, fast geistesabwesend, zum Heizkörper. Adressiert war die Botschaft aber an Baumer. Der Chef von Baumer sagte leise: »Sie haben Wichtigeres zu tun. Lassen Sie die Finger von Gomez.«
    Alle schauten Kriminalkommissar Baumer an. Wie würde er reagieren? Was kam jetzt? Die Truppe war gespannt. Einige bereiteten sich innerlich auf einen Kampf vor. Der Mann in direkter Linie zwischen Baumer und Windler war verängstigt und bereit wegzuspringen, um den Weg freizugeben.

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