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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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spielen? Vielleicht könnte Windler dieses Match wider Erwarten doch verlieren. Kohler dachte, »wenn ich doch nur von Traugott Buser ausgewechselt werden könnte.« Er wünschte sich, ein Fußballspieler zu sein. Dann hätte er jetzt eine Verletzung vortäuschen können. Traugott Buser – ach wie liebte er diesen seinen Chef – würde es schon erkennen, wenn er sich an den Oberschenkel fassen und zu hinken beginnen würde. Sein Trainer würde beim nächsten Unterbruch den Schiri rufen und diesem mit um sich selbst kreisenden Unterarmen signalisieren, dass er wechseln möchte. Keine Gefahr mehr, als Versager dazustehen. Eine Zerrung muss man lange auskurieren.
    »Herr Kohler?«, holte Windler den Staatsanwalt mit eiskaltem Ton in die Realität zurück. Die Anrede war Anwurf zugleich und ließ keinen Zweifel aufkommen. Windler forderte ihn endgültig auf, Stellung zu nehmen. War er für ihn oder war er gegen ihn? Der Staatsanwalt aus Liestal fühlte sich, als hätte der Sensenmann auf seine Schulter geklopft.
    Kohlers Rettung kam wieder von Baumer. Dieser zählte nochmals in aller Ruhe auf: »Wieso trägt Gomez eine Waffe zur Arbeit? Warum erschießt er damit Toni Herzog? Warum richtet er ihn regelrecht hin? Warum sitzt Stankovic mit Gomez am selben Tisch? Warum verschweigt Gomez, dass er Stankovic kannte? Warum schmeißt er den Revolver weg?« Baumer tat das fast mechanisch. Es war nicht klar, ob er dies wirklich zu Kohler sagen wollte oder ob er einfach laut dachte.
    Windler stand kurz vor dem Explodieren. Der Druck entlud sich aber erstaunlicherweise nicht in unflätigem Gebrüll. Auf seinem Gesicht konnte man jedoch seinen Ärger ablesen. Die Hautfarbe waberte zwischen Rot und Weiß.
    Kohler entging es nicht. Sein Sensorium war geschärft und er erkannte dieses Signal einer ersten Schwäche in Windlers Konfiguration. Der Wind hatte gedreht. Das Ruder war umgelegt. Nun hieß es für ihn zurückzurudern.
    »Ja. Das sind ...«, Kohler räusperte sich mehrmals, um Zeit zu schinden und seine Worte so zu wählen, dass er Windler nicht unnötig auf die Füße trat, »das sind also viele offene Fragen. Ähemm.« Er machte eine Pause, während der er vor sich auf den Boden starrte. Hätte man ihn später gefragt, ob der Boden aus Stein oder Linoleum war, er hätte es nicht gewusst. Die Hände hatte er mittlerweile vor seiner Brust verschränkt. Er schluckte. Dann führte er eine Hand langsam zum Mund, deckte ihn mit der Handfläche fast komplett zu. »Hm. Herr Baumer weist da auf einige Punkte hin. Hm. Wahrscheinlich nur unbedeutende Details.«
    Pause.
    »Auch Herr Heinzmann erwähnte einige Einzelheiten, wie gesagt, nur Details.«
    Pause.
    »Es ist also so, dass ich als Staatsanwalt, der Herrn Traugott Buser berichten muss, also die Korrektheit des Verfahrens, berichten muss.«
    Pause.
    »Ich bin sicher also, dass Sie, werter Herr Windler …« Kohler zog präventiv seine Schultern zusammen und schaute auf den Boden, »… einverstanden sind, dass ich aufgrund meiner beratenden Funktion und als Untergebener von Herrn Traugott Buser, gezwungen bin. Also, dass ich zur Absicherung aller Beteiligten im Verfahren – ich betone aller – natürlich entsprechend, im Prozess des Verfahrens also, darauf achten möchte, dass das Verfahren mit der allergrößten Sorgfalt abläuft.« Damit schloss Kohler.
    Windler schaute Kohler mit stechenden Augen an. Hätte er ein Messer in der Hand gehabt, hätte er es ihm in die Brust gerammt.
    Kohler spürte das, und es war ihm bitter zumute. Zugleich kam in ihm auch Wut hoch. Er ärgerte sich, dass Windler es geschafft hatte, ein so einfaches Verfahren (Amoklauf, Täter in Notwehr erschossen) zu vermurksen. Windlers eigene Leute murrten. Der Führer wurde in Frage gestellt. Und ein Führer, dessen Führungsanspruch so eindeutig von den eigenen Leuten angezweifelt wurde, war nur mehr ein waidwundes Tier. Es würde nicht mehr rational vorgehen und war unberechenbar. Bald könnte es ganz erlegt sein. Kohler gefiel das gar nicht. Hier war nichts mehr zu holen, deshalb hatte er Nebelgranaten gezündet.
    Windler war nicht dumm. Er hatte nach dem ersten Ärger über Kohlers Haltung schnell begriffen, dass der Staatsanwalt nur den Ball tief halten wollte. Kohler hatte kein offizielles Mandat und wollte nicht in die Angelegenheit hineingezogen werden. Das war letztlich auch in seinem eigenen Interesse. Also versuchte er zu schmunzeln und sagte: »Nun gut. Ich verstehe Sie, werter Herr Staatsanwalt.

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