Kommt Schnee
Ein Verfahren muss selbstverständlich sauber und korrekt durchgeführt werden. Dabei dürfen keine Fehler passieren. Deshalb hat Sie ja mein werter Herr Kollege Buser, den ich übrigens erst kürzlich einmal in unser kleines monatliches Kollegium vom Donnerstagabend einladen durfte, uns freundlicherweise zur Seite gestellt. Momentane kleine Unstimmigkeiten in der Analyse einiger unwichtiger Details sollten wir nicht überbewerten. Ich bin sicher, dass sich alles ganz natürlich ergeben und der Abschluss dieses Verfahrens zügig und zu unser aller Zufriedenheit ausfallen wird.«
Kohler schaute auf, entspannte sich merklich und blickte kurz – lang genug? – in die Augen von Windler. Dann schlug er den nicht-aggressiv geschlagenen Ping-Pong-Ball von Windler ebenso defensiv zurück. »Das sehe ich auch so«, sagte er. »Diese von Ihren Untergebenen vorgebrachten leichten Zweifel müsste ich natürlich in meinem Bericht erwähnen.« Er beeilte sich, den nächsten Satz nachzuschieben. »Aber natürlich nur, falls diese nicht ausgeräumt werden können. Aber ich bin doch überzeugt, dass das sicherlich bald geschehen wird und dieser Fall rasch zu unser aller Zufriedenheit gelöst werden kann.«
Das war’s. Der Mist war geführt. Kohler hatte seinen Kopf aus der Schlinge gezogen. Windler hatte den Wink verstanden, mehr Druck auf seine eigenen Leute zu machen. Er lächelte Kohler erfreut an. Dann führte er das Gespräch noch ein bisschen weiter. Einfach, um Kohler zu signalisieren, dass zwischen ihnen alles im Lot sei. Mit Baumer und Heinzmann würde Windler dann schon noch abrechnen. Das war so sicher, wie die Sonne immer da ist, auch wenn es Nacht ist. Windler verriet es jedoch mit keiner Miene.
Schließlich lud der Chef der Kriminalpolizei Basel den Staatsanwalt aus Liestal zu einem Kaffee ein und er schaffte es tatsächlich, seine Worte als spontane Eingebung zu tarnen. »Wissen Sie was, ich habe Lust auf einen Kaffee. Kommen Sie doch einfach mit! Gehen wir rasch in die Kunsthalle? Ja. Sehr gut. Also los. Vielleicht treffen wir da grad noch ein paar Kollegen von mir, die Sie noch nicht kennen.«
Ganz nebenbei, in einem Nebensatz, entließ Windler seine zwei Untergebenen, Baumer und Heinzmann. Gab es eine Ermahnung, einen Befehl, an diese, was zu tun sei? Nein, nichts. Sie wurden einfach entlassen, mit einer leichten Handbewegung weggewischt, als wären sie Fliegen.
*
Baumer und Heinzmann waren nach unten gegangen und standen beim Kaffeeautomaten im Parterre. Heinzmann warf Münzen hinein. Drückte auf die Taste, die mit »Latte macchiato mit extra Zucker« beschrieben war. Der Automat rumpelte an. Ein weißer Plastikbecher wurde hinuntergeworfen und vor die Düse gehalten. Irgendeine Turbine im Automat beschleunigte und begann, immer lauter zu pfeifen. Dann stoppte das Pfeifen und ein pulsierendes Pumpen kündigte die Zubereitung von Kaffee an. Zuerst pumpte der Automat schaumige Milch in den weißen Becher. Baumer sah dem Strom der Flüssigkeit zu, wie sie den Becher langsam füllte. Schließlich stoppte die Maschine. Dann begann sie erneut zu rattern und schwarzer Espresso floss in den Schaum hinein. Hinter dem weißen Plastik konnte man die dunkle Farbe des Kaffees nur sehr vage erkennen.
Baumer fragte Heinzmann. »Willst du nicht mit mir ins ilcaffè kommen? Einen richtigen Kaffee trinken?«
»Keine Zeit. Muss bald in die zweite Schicht.«
»Zweite Schicht? Willst du nicht einmal Pause machen?«
»Pause. Ja, die mache ich, wenn ich tot bin.«
»Übernimm dich nur nicht, Stefan?«
»Ich? Übernehmen? Na, das sagst gerade du«, höhnte Heinzmann und führte seine Faust in die Furche zwischen Brust und Schulter von seinem Freund Andi. »Wer soll denn sonst dem Gefreiten Meier beibringen, was wichtig ist im Leben eines Polizisten?«
»Kaffee aus dem Automaten ist es jedenfalls nicht.«
»Doch. Der hält wach!«
»Ja, weil er scheußlich ist!«
»Genau. Was meinst du denn, warum ich ihn trinke? Weil er mir schmeckt?«
Beide lachten herzlich. Dann funkte Heinzmann den Gefreiten Meier an. Baumer wartete noch, bis Meier im Spiegelhof aufkreuzte und zusammen mit Heinzmann über den Innenhof abzog, wo das Polizeiauto geparkt war. Baumer seinerseits verließ den Spiegelhof zu Fuß durch den Haupteingang.
Andreas Baumer und Stefan Heinzmann hatten nichts Weiteres mehr besprochen. Ihre Strategie war schon lange klar. Sie würde durchgezogen, ob Windler eine Kuh oder Kohler oder beide melken würde. Oder
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