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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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Rahmen.«
    Heinzmann lachte und forderte Gianni auf, nur schön gut auf Andi Baumer aufzupassen. »Sag’s ihm nur, Gianni. Der Mann braucht endlich mal einen richtigen Tritt in den Arsch.«
    »Das mache ich gern. Aber auf meine ganz spezielle Art und Weise. Von dem Tritt erholst du dich nicht so schnell, mein Freund.«
    »Ich verschwinde lieber.« Baumer war es leid.
    »Ja, geh nur, mein Freund«, knirschte Heinzmann. »Ich zahle gern für dich. Wie viele Croissants waren’s denn, Herr Kommissar? Fünf?«
    »Pass auf, Heinzmann«, blaffte Baumer Heinzmann mürrisch an.
    »Was? Sechs waren es?«
    Baumer winkte verächtlich ab und ließ seinen Freund und den verdutzten Gianni stehen. Er war ganz einfach ebenso verärgert wie Heinzmann, weil sie bisher keinen entscheidenden Schritt vorangekommen waren. Andreas Baumer und Stefan Heinzmann wussten, dass es einmal Spuren gegeben hatte, aber Frau Holle hatte ihre Betten ausklopft und dichter Schnee war gefallen. Eine dicke weiße Decke lag jetzt über dem schmucken Basel. Noch keine Fußspur war in den frischen Schnee gestapft. Kein Mensch hatte die Postkartenidylle entweiht.

    *
    Baumer ging geradeaus zur Hauptpost, als er aus der Kaffeebar herausgetreten war. Der imposante Bau aus rotem Sandstein lag nur 50 Meter weiter Richtung Marktplatz. Er trat in die hohe Schalterhalle mit einem Dutzend Schaltern und zog eine Nummer am Ticketautomaten. Eine Anzeigetafel zeigte ihm an, dass er erst in acht Minuten bedient werden würde. Sollte er warten, um die Einzahlung der Stromrechnung vorzunehmen? Diese war gestern mit der Post gekommen, und er hatte den Einzahlungsschein am Morgen eingepackt. Sollte er gehen und ein anderes Mal wiederkommen, wenn weniger Verkehr da war?
    Baumer stand da. Unschlüssig. Seine Entscheidung hätte genauso gut auf die eine wie die andere Seite fallen können. Schwarz anstatt Weiß. Er entschied sich dafür zu warten. Einfach so. An einem anderen Tag hätte er entschieden, nicht zu warten. Warum er das eine tat, aber das andere nicht, hätte er selbst nicht sagen können. Dass es entscheidend für die Lösung des Falles war, konnte er da noch nicht wissen, denn Baumer lebte in der Vergangenheit, kaum in der Gegenwart. Die Zukunft würde sich ihm erst noch erschließen, und erst dann würde er alle Fakten beieinanderhaben und alles verstehen können.
    Er setzte sich auf einen freien Stuhl in den beiden Stuhlreihen, die für die Wartenden aufgestellt worden waren. Mehrere Leute saßen dort. Einige sahen aus, als warteten sie schon seit Äonen auf ihren Aufruf. Alle starrten auf die Digitalanzeige, die die Nummern der Kunden aufriefen. Ihre wettergegerbten Gesichter erinnerten an Mumien.
    Die Schalterhalle war vollgestellt mit Werbereitern. Auf mehreren Regalen wurden allerlei Büroutensilien – Klebebänder, Stifte, Radiergummis, et cetera ) angeboten. Andere Gestelle offerierten verschiedensten Krimskrams für Reisende. In einer Ecke lagen gelbe Musterpakete gestapelt. Sie zeigten den Kunden die Größe aller Pakete an, die es als Faltkartons zu kaufen gab. Verschiedene Monitore zeigten Werbung. Das Bild wechselte periodisch.
    Jetzt wurde in drei Bildern der Wetterbericht angezeigt. Auf den Grafiken für das Wetter heute und morgen erkannte Baumer große weiße Wolken. Aus ihnen fielen weiße Punkte. Die Punkte waren fett und dicht gedrängt. Es wurde starker Schneefall angekündigt.

    Starker Schneefall.

    Ein älterer Mann, der neben ihm saß – seinen Hut hatte er nicht abgesetzt – versuchte, mit Baumer ein Gespräch zu beginnen. Es war vielleicht sein einziges heute, das der pensionierte Mann, dessen Kleidung von zu wenig Erspartem und ungenügender Rente erzählte, mit einem Menschen führen könnte.
    »Ja, ja, kommt verdammt viel Schnee auf uns zu.«
    »Was sagen Sie?«, stutzte Baumer.
    »Verdammt viel Schnee. Schauen Sie.«
    Baumer hatte den Blick nicht vom Monitor gelassen. Er schaute auf die Grafik.

    Und schaute.

    Dann schlug er sich mit der linken Faust an die Stirn und es entfuhr ihm ein »Oh«.
    »Da werden die Leute von der Reinigung einiges zu tun haben«, suchte der alte Mann erneut Kontakt. Sein Arm zeigte immer noch in Richtung des Monitors. »Kommt ein richtiger Schneesturm.«
    Aber Baumer antwortete nicht. Sein Mund war offen geblieben, und mit der Hand an der Stirn starrte er ins Leere. »Aber ja doch«, murmelte er leise.
    Den Rentner freute es, dass sein Mitmensch etwas redete, egal was, und antwortete geschwind. »Ja.

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