Kommt Schnee
sich auf demselben Weg zurück, auf dem er seinem Bewacher entkommen war. Es ging noch leichter als auf dem Hinweg.
Oben angekommen sah Baumer, dass die Zeitschaltuhr das Licht bereits zweimal an- und ausgemacht hatte. Seit er weg war, waren nicht einmal zwei Stunden vergangen. Baumer knipste das Deckenlicht an und schaltete den Fernseher aus. Dann legte er sein teures Designerhemd ab, zog nur ein weißes T-Shirt als Nachthemd an und öffnete das Fenster. Er tat so, als ob er frische Luft einsaugte und streckte sich dafür deutlich sichtbar aus dem Fenster.
Unten an der Ecke stand Grollimund und sah, wie Andreas Baumer, Kommissar und Zielperson, frische Luft in die Wohnung ließ und seine beim Fernsehschauen eingeschlafenen Glieder reckte. »Der hat’s gut«, dachte Grollimund. »Hockt im Warmen und schaut fern.« Grollimund fragte sich, welchen Stuss Baumer wohl gesehen hatte, und ärgerte sich bei dem Gedanken, dass er selbst seine geliebte Knallserie »Alarm für Cobra 11« verpassen musste.
12
Die nächsten Tage vergingen wie geplant. Baumer und Heinzmann hingen ihren regulären Aufgaben nach. Routiniert. Unauffällig. Heinzmann machte die Arbeit Spaß, Baumer nicht. Keiner von beiden gab Anlass zu irgendwelchen Beschwerden. Rötheli berichtete seinem Chef täglich, was Baumer tat, was Heinzmann tat.
Sie taten nichts.
Zumindest nichts, was Windler interessiert hätte. Keine Nachforschungen zu Gomez und seiner Pogimex. Keine Untersuchungen zu Toni, keine zu Stankovic. Nichts.
Rötheli, der Chef der Zivilen, berichtete nur Belangloses über die beiden Querschläger. Dass Baumer öfter als auch sonst schon im ilcaffè abhänge, dass er am Tag mehrheitlich im Büro sei, am Abend nicht ausgehe. Heinzmann hingegen sei meist auf Streife, Besoffene einsammeln und Alzheimerkranke nach Hause fahren. Die beiden Troublemakers träfen sich kaum und man sehe sie daher auch nicht mehr miteinander sprechen.
»Es scheint, als seien beide auf Valium. Haben den Schwanz eingezogen«, meinte Rötheli forsch.
Windler hörte es gern.
»Rötheli, ich sage Ihnen was, und merken Sie es sich gut«, tönte er überheblich. »Ein guter Chef hat seine Leute immer im Griff. Ab und zu gehören die einmal richtig zusammengeschissen. Dann parieren sie. Die brauchen das richtiggehend. Nachher muss ich nur noch das Stöckchen werfen, und die springen. Braver Hund, ja. Komm, bring das Stöckchen!«, höhnte Windler.
Rötheli brachte auf diese Belehrung nur ein ebenso mageres wie leises »Ja« heraus.
Weil Windler sofort merkte, dass Rötheli wohl begriffen hatte, dass er selbst für Windler nur ein Hund war, fügte Windler schnell an: »Aber Sie, Rötheli, sind ja von einem ganz anderen Kaliber. Sie sind ein guter Mann. Sie gefallen mir! Sie leisten hier, wie immer, wenn ich Ihnen einen wichtigen Auftrag gebe, ganze Arbeit.« Damit lächelte er Rötheli an und zog ihn, die Stimme bewusst gesenkt, ins Vertrauen. »Unter uns, Rötheli, Ihre Arbeit überzeugt mich schon lange.« Dann tat er noch geheimnisvoller und fügte wispernd an: »Ich dürfte es Ihnen ja gar nicht sagen, aber wissen Sie, auf meiner Liste für die Beförderungen stehen Sie ganz oben.«
Rötheli fühlte sich pudelwohl. Dass er eingewickelt war wie eine Fliege im Netz, merkte er offenbar nicht.
*
Zwei weitere Tage später war es dann vorbei. Windler hieß Rötheli die Bewachung von Baumer und Heinzmann einstellen. Der Mist war geführt. Saubere Sache. Der Fall wurde ad acta gelegt.
Und Tschüss.
Dass der Amoklauf im Bistro auf der Passerelle von nun an als unwichtige Episode Basels in den Annalen der Basler Kriminalgeschichte vermodern würde, schlussfolgerten auch diejenigen Polizisten, die Baumer zufällig in seinem Büro besuchten. Sie fanden dort einen Basler Kommissar, der offenbar ohne Fall war, denn er beschäftigte sich nur mit Krimskrams. Blumen gießen, Mülleimer leeren, den Bostitch-Hefter mit neuen Klammern auffüllen, Aktenordner neu beschriften. Solcher Art waren die Tätigkeiten, für die Baumer seine Zeit nutzte. Sein Freund Heinzmann war hingegen sehr beschäftigt. Er machte Extraschichten und fuhr mit dem Gefreiten Meier durchs Kleinbasel. Präsenz markieren. Er stellte Strafzettel für Lieferwagen aus, die auf dem Bürgersteig hielten. Protokollierte Unfälle. Verfolgte einen Ladendieb, der im Kaufhaus Manor »eingekauft« und einen Verkäufer brutal zusammengeschlagen hatte, als der ihn hatte festhalten wollte. »Wagen 13, Diebstahl in der
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