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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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Manor mit Angriff auf Person, Verfolgung aufnehmen«, wurde Heinzmann dann angefunkt. Als er bestätigte, wurden ihm weitere Informationen über den Dieb durchgegeben: »Täter 1 Meter 80, etwa 20 Jahre, zerrissene, helle Jeans, dunkelhäutig, kurze schwarze Haare, braune Lederjacke.« Alltägliche Aufgaben des Streifendienstes, damit war das Leben von Heinzmann in den letzten Tagen angefüllt.
    Kontakt zu Baumer suchte er nicht in dieser Zeit. Wozu auch. Ihre Strategie entfaltete sich wie ein Sonnensegel an einer Raumstation, ohne eigenes Zutun und ganz nach Plan. Es lief alles wie am Schnürchen.
    Auch Baumer ertrug diese langen kurzen Wintertage ohne größere Probleme. Er wusste, dass ihre Strategie aufgehen musste und unweigerlich zum Ziel führen würde. »Gut Ding will Weile haben«, sagte er zu sich selbst, um der Langeweile Sinn zu geben. Und es waren ja erst sechs Tage vergangen, seit er und seine Freunde sich bei Ali getroffen hatten.
    Welcher Tag war heute eigentlich?, fragte sich Baumer. Er nahm den Kalender vom Büchergestell. Für jeden neuen Tag drehte man ein weiteres Blatt um. Er hatte ihn schon lange nicht mehr nachgeführt und musste lange blättern bis zum aktuellen Wochentag. Das Kärtchen zeigte den 18. Dezember. Drei Tage noch. Drei Tage bis zu ihrem Geburtstag.

    Majas Geburtstag.

    Baumer fiel in seinen Stuhl. Tränen stiegen in seine Augen, als die Erinnerung ihn überkam. Wie er sie mit einem Geschenk überascht hatte. Wie sie in süßem Schweizerdeutsch »Danke« sagte, als sie es auspackte, »das ist lieb von dir.« Wie sie versuchte zu lächeln, aber die Augen beschämt abwandte.
    Er fragte sie: »Gefällt es dir nicht?«
    »Doch. Es ist nur ...«
    »Was ist nur?«
    »Ich. Ich möchte nicht«, zögerte Maja.
    »Was? Was möchtest du nicht?«
    »Ich kann das nicht mehr.«
    »WAS?«, schrie er sie an, und sie heulte los, drehte sich von ihm weg. Er packte sie an den Schultern, riss sie herum. »Sag mir, was los ist?«
    Dann sagte sie es ihm. Dass sie ihn liebe. Ja. Irgendwie.
    »Irgendwie?«, schrie er verzweifelt und schüttelte sie.
    Sie weinte und zitterte und stammelte, dass er ihr wehtue, und er ließ sie los, hielt sie wieder fest, streichelte sie, versuchte, ihre Lippen zu küssen, packte sie an der Hüfte, zog sie zu sich, spürte seinen Schwanz, der noch ob der Vorfreude, wie sie sich über das Geschenk freuen würde, hart in seiner Hose spannte. Wie sein Penis ihre Scham berührte, aber bereits verängstigt zu erschlaffen begann. Wie sich Maja verzweifelt zurückbog, wand und Andi schließlich energisch wegstieß.
    Hatte sie ihn im Gesicht gekratzt? Er spürte es nicht. Er sah nur, wie sie sich in eine Ecke setzte. Wie sie ihn böse und entschlossen ansah. Dann die Worte, die er nie vergessen würde.
    »Ich liebe dich nicht.«
    Er war sprachlos.
    Er erkannte, dass sie ihm nicht mehr in die Augen schauen konnte, als sie endlich damit herausgerückt war. Herausgerückt mit der einzigen Wahrheit. Dass sie ihn nie geliebt hatte. Ja, gemocht. Sehr. Aber nie geliebt. Weil sie den anderen liebte. Schon immer. Diesen Mann, an dessen Namen sich Baumer nicht erinnern wollte, aber erinnern musste, immer erinnerte, diesen anderen Mann, diesen Anderen, diesen, diesen Martin.
    All das hatte Baumer in Gedanken ein weiteres Mal durchlebt, als wäre es ihm grad soeben geschehen. Er stand geknickt und lädiert in seinem Büro, wie eine zerschlissene Ständerlampe von IKEA als Sperrgut auf der Straße steht.
    Andi Baumer schämte sich für sich selbst. Er wusste, dass er sich zusammenreißen musste. Er versuchte es. Es gelang nicht, der Verlust von Maja war in seine Eingeweide eingebrannt, und die Vernarbung schmerzte weiter.
    Er wollte sich bewegen. Es ging nicht. Also schlug er sich auf die mächtigen Oberschenkel. Aber weil er keine Schmerzen spürte, grub er seine Fingernägel tief in seine Wangen. Er riss an der Haut, bis er jaulte vor Schmerzen und er endlich einen Fuß vor den anderen setzen konnte.
    Dann ging er im Büro umher. Ging um den Tisch. Links. Rechts. Ging drei Schritte vorwärts zum Schrank, stapfte mit den Füßen. Links, rechts, schlug sich erneut ins Gesicht. Milder als zuvor.
    Später, als er sich endlich wieder gefasst hatte, überfiel ihn die Erinnerung an Maja erneut und derselbe Tanz wiederholte sich ein weiteres Mal.

    *
    Windler hingegen erfreute sich seines Daseins. Er schien größer und mächtiger denn je, als er am selben Abend mit großem Tamtam den Spiegelhof

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