kommt wie gerufen
Blasiertheit. Und das ist ganz richtig so, sagte sie sich streng, denn Mr. Carstairs hatte ihr nachdrücklich befohlen, keine Geheimagentin, sondern eine amerikanische Touristin zu sein. »Benehmen Sie sich ganz natürlich«, hatte er ihr eingeschärft und dann mit leisem Lächeln ergänzt: »Wenn ich Ihnen Verstellungskünste zugetraut hätte, wären Sie niemals zu diesem Auftrag gekommen.«
Mrs. Pollifax hatte ihm mit glänzenden Augen zugehört.
»Sie werden am 3. August in Mexico-City ankommen und sich im Hotel Reforma Intercontinental einmieten. Die Bestellung wird eine Stunde vorher in Ihrem Namen erfolgt sein. Sie sind Mrs. Virgil Pollifax, die sich auf einer dreiwöchigen Vergnügungsreise in Mexiko befindet, und sie werden sich genau wie alle anderen Touristen benehmen. Wohin Sie gehen wollen, liegt ganz bei Ihnen. Ich nehme an, Sie werden die üblichen Sehenswürdigkeiten besichtigen.
Am 19. August aber werden Sie verläßlich diesen Buchladen in der Calle el Siglo in Mexico-City aufsuchen.«
Er hatte Mrs. Pollifax einen Zettel gegeben. »Lernen Sie diese Adresse auswendig, ehe Sie dieses Gebäude verlassen«, sagte er bestimmt, und Mrs. Pollifax’ Herz klopfte etwas rascher.
»Sie werden mich nicht wiedersehen, aber knapp vor Ihrer Abreise wird ein Beamter meiner Abteilung Sie aufsuchen, um sich davon zu überzeugen, daß Sie nichts vergessen haben.«
Mrs. Pollifax hatte auf die Worte gestarrt, die auf dem Zettel standen:
El Papagayo Libreri (Buchhandlung zum Papagei) Calle el Siglo 14, Mexico-City Eigentümer: Señor R. de Gamez An-und Verkauf von guten Büchern.
»Am 19. August werden Sie diesen Buchladen betreten und den Roman >Zwei Städte< von Charles Dickens verlangen«, hatte Carstairs seine Erklärung fortgesetzt.
»Am 19. August«, wiederholte Mrs. Pollifax eifrig.
»Der Herr, der, wie Sie hier lesen können, Señor de Gamez heißt, wird Ihnen bedauernd mitteilen, daß er im Augenblick dieses Buch leider nicht auf Lager hat.«
Mrs. Pollifax wartete atemlos.
»Darauf werden Sie ihm höflich, aber bestimmt widersprechen und ihm zeigen, daß der Band im Fenster steht. Sie werden dann mit ihm zum Schaufenster gehen, er wird das Buch entdecken und Sie werden sagen: >Ich finde Madame Defarge einfach schauerlich. Sie auch? <«
Mit erstickter Stimme wiederholte Mrs. Pollifax diese Worte.
»Erkennungsphrasen sind lästig«, gab Carstairs zu. »Der Herr wird Sie gegen zehn Uhr vormittag erwarten, trotzdem aber ist es ratsam, jeder möglichen Verwechslung einen Riegel vorzuschieben. Es ist deshalb sehr wichtig, daß Sie die >Zwei Städte< verlangen und die Bemerkung über Madame Defarge fallen lassen.«
Mrs. Pollifax nickte. »Und das ist alles?«
»Ja.«
»Und was ich Ihnen bringen soll, wird in diesem Buch sein?« fragte sie und schlug sich sofort die Hand vor den Mund. »Du lieber Schreck, das hätte ich nicht fragen sollen, wie?«
Carstairs lächelte. »Nein, und ich würde es Ihnen auch auf keinen Fall sagen. Obwohl«, ergänzte er trocken, »ich ehrlich behaupten darf, daß ich in diesem Augenblick selbst noch nicht weiß, was er Ihnen geben wird. Sie werden sich, sobald Sie das Buch bezahlt haben, natürlich entfernen und nicht wiederkommen. Wir verlangen darüber hinaus nichts weiter von Ihnen, als daß Sie Ihre Stadtbesichtigung noch zwei Tage fortsetzen und am 21. August mit einer Düsenmaschine zurückfliegen. In den nächsten Tagen werden Ihnen die Buchung und Ihre Flugkarte per Post zugehen, ebenso das Besuchervisum, das Sie zur Einreise nach Mexiko benötigen.«
Sie nickte. »Und was geschieht bei meiner Ankunft? Was soll ich dem Zollbeamten sagen?«
Er lächelte und antwortete sanft: »Darüber machen Sie sich keine Sorgen. Sagen wir, daß wir uns Ihrer Ankunft in unserem Land annehmen werden und Sie keinerlei Schwierigkeiten zu erwarten haben.«
»Oh.«
»Ich betone nochmals ausdrücklich, daß Sie sich auf einer Vergnügungsreise befinden und nur rein zufällig in den Buchladen zum Papagei gehen. Bitte, prägen Sie sich das ein.«
»Oh«, sagte Mrs. Pollifax betrübt, und als Carstairs erstaunt die Augenbrauen hochzog, meinte sie: »Das klingt überhaupt nicht gefährlich.«
Carstairs war ehrlich entsetzt. »Meine liebe Mrs. Pollifax, ein gewisses Risiko besteht immer. Darüber sprachen wir bereits. Aber wenn auch nur der leiseste Schatten einer Gefahr drohte, würde ich Ihnen als Amateurin niemals gestatten, hier in meinem Büro zu sitzen.«
Er stand auf und
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