Komoedie des Alterns
allem interessierte: Mustafas Stellung innerhalb der Regierung. Mustafa sagte nur, er sei dort ein Berater, der nie gefragt werde, eine Null. In Wahrheit, das konnte man in der Zeitung lesen, war er Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, gewiß nur einer von mehreren, allerdings derjenige, dem die Importe oblagen, und zwar alle. Kein Nagel kam ins Land ohne Mustafas Genehmigung, und jede Genehmigung hatte ihren Preis.
Mustafa hatte die ganze erste Woche auf der Wüstenbaustelle verbracht, hatte seinen Platz und sein Bett in einem Zelt, schien mit dieser Art des Lebens und Wohnens weniger Schwierigkeiten zu haben als die anderen,Sarani eingeschlossen, aber er wußte, daß er, wann immer er wollte, sich in seinen Geländewagen setzen und in die Hauptstadt fahren konnte. Er tat es nicht.
Sarani dachte, er selbst sei ein alter, böser Mann geworden, zu starrköpfig, als daß er es über sich brächte, anzuerkennen, daß Mustafa in den ersten acht Tagen des Wüstenunternehmens, den schwierigsten, ein ruhendes, die anderen gerade noch beruhigendes Element gewesen sei; anzuerkennen, daß Mustafa, Staatssekretär und Firmeninhaber, sich damals persönlich auf das Wüstengrundstück bemühte; daß er jede Lieferung, die selbstverständlich über seine Firma abgewickelt wurde, und sei es die Zustellung der Lebensmittel, eines großen Gasherds, sogar die zeitweilige Präsenz zweier Köche selbst kontrollierte, ein Dieselaggregat, das nicht funktionierte, sofort zurückschickte, mit der unerwarteten Folge, daß am nächsten Morgen schon ein anderes, betriebsbereites von einem Lastwagen abgeladen wurde, so daß, dank dieser großen Hilfe, die zu leisten nur jemand mit der Machtfülle Mustafas imstande war, Sarani sich nur um die Organisation der Arbeit kümmern mußte, was er als Luxus empfand, denn er hatte sowohl den Zeit- als auch den Arbeitsplan unter Berücksichtigung aller nur denkbaren Pannen erstellt.
Er sei, erinnerte Sarani sich, von Mustafas Engagement beeindruckt gewesen, seine Frau Sophie habe sich aber über die Anstelligkeit des Staatssekretärs besorgt gezeigt, denn sie, die es auf sich genommen hatte, das Kaufmännische des Unternehmens zu erledigen, habe befürchtet, Mustafa würde seine von ihr durchaus geschätzte Tätigkeit hoch in Rechnung stellen. Sophie habe Mustafa offen darauf angesprochen, ebenso offen habe ergeantwortet, seine Firma habe internationales Format, er unternehme alles, um die Kunden zufriedenzustellen, deshalb überprüfe er unermüdlich, daß die Leistung, die zu erbringen er vertraglich garantiert habe, erbracht werde, auch wenn das nicht dem europäischen Bild vom arabischen Geschäftsmann entspreche, der die Dinge mitunter schleifen läßt, kurzum, es könne keine Rede davon sein, daß er diesen Service extra verrechne.
5
Die Frühlingssonate
Nach einem Augenblick tatenfroher Erregung, in dem Freudensprung sich einbildete, bereits auf Sarani zuzueilen, die Hand entschlossen zur Faust geballt, fiel er in einen Tiefschlaf von einer Viertelstunde, aus dem er dermaßen erholt erwachte, daß er – die Triebwerke des Flugzeugs liefen wieder – Hoffnung schöpfte auf ein anderes Leben, eines ohne Sarani, wobei es ihm nicht wichtig war, ob er den Widersacher tötete und deshalb einen Gerichtsprozeß durchzustehen hatte oder ob er Sarani mit einem verletzenden Wort auslöschte.
Er empfand Freude bei dem Gedanken an eine Existenz ohne Bindung an diesen Mann, die zu einer lebensabschnürenden Fessel geworden war. Er, der von Hoffnung nichts hielt, weil sie dem Gestern nachtrauert und aufs Morgen vertröstet, hatte Hoffnung auf ein Leben ohne Sarani und wußte zugleich, daß sie trügerisch war. Er konnte nicht ausschließen, daß in dieser Auseinandersetzung nicht der andere umkommen würde, sondern er selbst.
Dabei wäre für ihn nichts leichter gewesen, dachte er, als Sarani bereits bei ihrer ersten Begegnung loszuwerden. Statt dessen hatte er alles getan, um ihm nahe zu sein und nahe zu bleiben. Wäre er nicht zu Sarani hingesprungen, als der in der Werkshalle in Ohnmacht fiel, wäre dessen Kopf auf dem Ofenrand aufgeschlagen, undhätte er ihn dort liegenlassen, wäre Sarani an der Gluthitze zugrunde gegangen. Produktionsbedingt, hätte es im Werk geheißen.
Statt dessen packte er ihn unter den Armen, zog ihn ins Teehaus, reinigte mit kaltem Wasser einen Becher, füllte diesen mit Tee, hielt ihm den Becher hin, Sarani griff zittrig und doch gierig danach, nahm einen Schluck,
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