Komoedie des Alterns
zweifelten, daß die Wüste, sofern sich unter dem Sand Wasser befindet, in fruchtbares Land verwandelt werden kann. Vor allem aber wollten sie mit der Wüstenfarm dem Umland zeigen, daß man den Sandboden keineswegs fliehen mußte, als wäre er ein verhängnisvolles Schicksal, sondern daß sich auf ihm rentable Landwirtschaft treiben ließ. Er sei es gewesen, behauptete Sarani nun, der seinen Landsleuten etwas habe beweisen wollen, nicht der Österreicher. Der sei mit nach Ägyptengekommen, nachdem er in Wien die Bemerkung hingeworfen habe, vielleicht könne er sich nützlich machen. Den Eindruck, daß er von Nutzen sei, habe man anfangs nicht gehabt.
In den ersten Tagen – und wäre es nach Sarani gegangen, hätte dieser Zustand Wochen, ja Monate gedauert – wohnten sie in Zelten, das neue Arbeitsgerät, um nach Wasser zu bohren, banden sie jedesmal, bevor die Nacht hereinbrach, mit Seilen an die Zeltpflöcke; das alte, mit dem sie, zwei österreichische Geologen, fünf ägyptische Arbeiter, Freudensprung und Sarani, vor einem halben Jahr erfolgreich nach Wasser gebohrt hatten, war gestohlen worden. Sie waren nicht, wie ihre Bekannten in Österreich geglaubt hatten, auf gut Glück in die Wüste aufgebrochen; von Geologen hatten sie erfahren, daß der Nil, bevor er Kairo erreicht, zwar in einem großen Flußbett dahinfließt, sich aber unterirdisch zu jenem Delta verzweigt, das nach einigen hundert Kilometern, vor Alexandria, an die Oberfläche tritt, so daß es in der Region Kairo kein Kunststück ist, bereits in geringer Tiefe Wasser zu finden.
Seine Verachtung gegenüber dem Österreicher, dachte Sarani, dürfe nicht in einem Haß, der blind mache, untergehen, und so versuchte er, sich ohne Vorurteile auf die Erinnerung zu verlassen, als wäre die nicht bis ins Innerste infiltriert von Ressentiments, was er zwar wußte, aber angesichts seiner Erschöpfung nicht wahrhaben wollte. Er war froh, daß die Erinnerung gleichsam von selbst, ohne daß es ihn anstrengte, ihrer Wege ging und dabei munter, als gehörte sie nicht zu ihm, vor sich hin sprach. Im Augenblick behauptete sie, daß der Österreicher vom ersten Tag an, als er zusammen mit Sarani,dessen Familie und dem Arbeitstrupp auf dem Wüstengrundstück eingetroffen sei, sich nicht an der gemeinsamen Arbeit beteiligt habe, was allerdings nicht aufgefallen sei, da der Arbeitstrupp groß genug war.
Der Österreicher spielte gern mit Saranis Kindern, sie bauten wandernde Sandburgen, wie sie diese Gebilde nannten, es waren in Wirklichkeit unterschiedlichste Gebäude aus Sand, die sie zu kleinen Ortschaften zusammenfügten, mit Hügeln und Straßen und Tunnels, die der stete Wüstenwind nach und nach verschob und dabei verwandelte. Insbesondere diese wandelnden Verschiebungen, die aus einer Straße einen Hügel, aus einem Tunnel einen Marktplatz, aus einem Turm eine Paßstraße machten, entzückten die drei, wie Sarani nicht ohne Neid beobachtete. Und doch zog es die Kinder anders als den Österreicher ein-, zweimal am Tag auch zu unangenehmen oder, wie Sarani zu sagen pflegte, nützlichen Tätigkeiten, sei es, daß sie halfen, das Essen für immerhin zwanzig Leute zuzubereiten, sei es, daß sie allein es übernahmen, das Geschirr abzuwaschen. Auch daran beteiligte der Österreicher sich nicht.
Saranis fragendem Blick wich er aus, nicht aus Verlegenheit, sondern weil er keine Antwort wußte, und Sarani hatte dafür Verständnis. Denn er kannte den Grund von Heinrichs Benehmen. Dieser hatte sich offenbar etwas in den Kopf gesetzt, an dessen Verwirklichung, und zwar in allernächster Zeit, er unausgesetzt dachte, so daß er sich, in der Meinung, er sei intensiv beschäftigt, den wirklich Arbeitenden ohne Scheu zugesellte, aber eben nicht mit Hand anlegte, sondern sich auf einem schattigen Platz, mit Vorliebe im kurzen Schatten eines Dieselaggregats, auf den Wüstenboden setzte und den anderen –schamlos, wie diese es empfanden – beim Arbeiten zusah.
Den Kindern gegenüber war er durchaus gesprächig, und die erzählten dem Vater, was der Österreicher auf dem Herzen hatte. Die Art, wie er mit den Kindern sprach, Sarani beobachtete das aus der Entfernung, ließ keinen Zweifel zu, daß er ihnen etwas mitteilte, was ihn bewegte, sonst hätte er sich nicht, wenn während des Baus der Berge und Burgen aus Sand eine Pause eintrat, zu einer erklärenden Rede, begleitet von großen Gesten, aufgerafft.
Man sei noch keine Woche hier, habe der Österreicher gesagt, so
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