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Komoedie des Alterns

Komoedie des Alterns

Titel: Komoedie des Alterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Scharang
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6
    Das Festzelt
    Es war ein Freitagabend, erinnerte Sarani sich – er saß noch immer auf der Betonbank, mit der er schon so verwachsen war, daß er, wenngleich er keine Lebenskraft verspürte, dennoch nicht fürchten mußte, herunterzufallen, auch dann nicht, wenn das Flugzeug statt der angekündigten zwei noch weitere Stunden Verspätung haben sollte –, es war ein Freitagabend, als Mustafa zurück nach Kairo fuhr, nachdem er sich von allen verabschiedet hatte. In seiner Begleitung war der Österreicher, der sich von niemandem verabschiedete, nicht einmal von Saranis Kindern.
    Am Dienstag darauf näherte sich dem Wüstengrundstück ein Konvoi, wie man in dieser Gegend noch nie einen gesehen hatte. An der Spitze Mustafas Auto. Dahinter ein riesiger amerikanischer Geländewagen, von dem Mustafas englisches Fabrikat sich nobel abhob. Ihm folgte ein kleiner Lastwagen, dessen Ladung von einer Plane geschützt wurde. Und dann drei riesige Sattelschlepper. Mustafa sprang aus dem Auto und wies die Fahrzeuge ein, jedem war ein bestimmter Standplatz zugedacht.
    Die Bohrtrupps hörten zu arbeiten auf, ein Dieselaggregat nach dem anderen wurde abgeschaltet, das Klopfen der Motoren erstarb. Sarani erinnerte sich, daß er aus dem Zelt hinaustrat, in dem Sophie und er je einen kleinen zusammenklappbaren Schreibtisch stehenhatten. Sophie kümmerte sich auf ihrem Tischchen um die Buchhaltung, insbesondere um die Auszahlung der Löhne und die Bezahlung der ägyptischen Lieferanten, Sarani war zuständig für das Technische, die Gerätschaft, die rasch erweitert werden mußte, denn man stieß auf mehr Wasser als erwartet, konnte also schneller als geplant bewässern, brauchte dazu aber sofort mehr Rohre.
    Sarani, so erinnerte er sich, sah Mustafa, er sah Lastwagen, die er nicht bestellt hatte, und er sah aus dem zweiten Geländewagen eine fremde Frau steigen und den Österreicher. Saranis Kinder liefen zu Freudensprung, der umarmte und herzte sie, Sophie stand neben Zacharias und lachte: über Sarani, der mit offenem Mund dastand, über die Leute von den Bohrtrupps, die entgeistert hinüberschauten zu dem Konvoi. Man hatte von den Arbeitern und Ingenieuren schon geglaubt, sie seien Maschinen, so diszipliniert und fehlerfrei hatten sie eineinhalb Wochen gearbeitet, und nun schalteten sie kurzerhand die Motoren ab, gingen zögernd ein paar Schritte von den Bohrlöchern weg, blieben aber, als sie Sarani sahen, stehen, als hätten sie von ihm eine Strafe zu erwarten.
    Sophie aber rief ihnen zu, doch näherzukommen, und zu Zacharias sagte sie, so sei er eben, sein Freund. Er scheine ihn noch nicht zu kennen. Heinrich sei in letzter Zeit sehr schweigsam und nachdenklich gewesen. Nun sehe man das Ergebnis der Grübelei. Was sie denn so großartig finde an dem Spektakel, fuhr Zacharias sie an. Ein Wanderzirkus sei vorgefahren, der sein Zelt aufbaue, abends eine Vorstellung gebe und morgen abreise.
    Die Leute, erinnerte Sarani sich, die aus den Fahrerkabinen kletterten, insgesamt sechs Frauen und zwölf Männer, konzentrierten sich auf den kleinen Lastkraftwagen,räumten Bündel von Eisenstangen von der Ladefläche und eine große hellgraue Zeltplane. Also wirklich ein Zirkus. Dann wurden Holzpfosten in den Sand gelegt und darauf, im rechten Winkel zu den Pfosten, Bretter, alles paßte zusammen, es handelte sich offensichtlich um ein ausgeklügeltes System, zu dem auch die Eisenstangen gehörten, die senkrecht in Bretter und Pfosten gesteckt und waagrecht in einer Höhe von drei Metern mit anderen Eisenstangen verbunden wurden. Über das Gestänge spannten die Fremden die Plane. Eindeutig kein Zirkuszelt; aber auch kein zusätzliches Wohnzelt, denn große, lange Tische wurden aufgestellt – im Festzelt .
    Vier der Frauen und Männer kleideten sich um und begannen Gemüse zu putzen und Fleisch in Stücke zu schneiden, unter ihnen entdeckte Sarani den Österreicher, der ihnen half, aber nur ein paar Minuten, dann kümmerte er sich darum, daß die Tische festlich gedeckt wurden; dann um Wasser für die Rosen, um die Positionierung von vier großen Ventilatoren, die von der Lichtmaschine eines Sattelschleppers angetrieben wurden und für Kühlung sorgten. Erst als die Tische zu Freudensprungs Zufriedenheit gedeckt waren, ging er rückwärts aus dem Festzelt, langsam die Füße durch den Sand ziehend, als kulminiere seine ganze Kraft in einem letzten prüfenden Blick und als könne er deshalb die Füße nicht heben.
    Im Schatten des

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