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Komoedie des Alterns

Komoedie des Alterns

Titel: Komoedie des Alterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Scharang
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Vanzetti? Und daß Heinrich ausgerechnet sie in Kairo getroffen habe und daß sie jetzt hier sei und das Unternehmen rette? Das sei doch mehr als erstaunlich.
    Die Hauptsache sei, antwortete er, daß es sei, wie es sei, und er setzte weiter Stein auf Stein. Sophie, fuhr Sarani fort, wolle ein Abschiedsessen für Jenna geben. Es sei Jennas und sein letzter Abend, den würden sie gern allein verbringen, antwortete Freudensprung. Ob Heinrich ihr nachreisen werde, fragte Sarani. Nein, gab er zur Antwort, ihn ziehe es zu seinen Kindern.
    Als das Unternehmen im Lauf der Jahre Gestalt annahm, erinnerte Sarani sich, kam der Österreicher immer seltener nach Ägypten, und jedesmal fuhr er bald wieder zurück nach Wien zu seiner Familie und zu seiner schriftstellerischen Arbeit. Auf der Farm schrieb er nicht, er machte nicht einmal Notizen. Immer wieder schlug Sarani ihm vor, mit der Familie hierher zu ziehen. Freudensprung nickte jedesmal, wirkte aber geistesabwesend. Nun, rückblickend, interpretierte Sarani dieses Verhalten des Österreichers als erstes Zeichen von Verrat.
    Die Farm, erinnerte er sich, hätte von Anfang an nicht nur seine, sondern auch Freudensprungs Familie ernährt, außerdem wuchs das Unternehmen rasch. Nach fünf Jahren waren dreihundert Leute beschäftigt, ein Kühlhaus wurde gebaut, Lastwagen wurden angeschafft, die das Gemüse nach Kairo zum Flughafen transportierten, und sogar zwei eigene Flugzeuge, welche die Ware nach Paris und London brachten, wo Gemüse von der Wüstenfarm besonders in der kalten Jahreszeit die Märkte dominierte.
    Heinrich, erinnerte Sarani sich, hatte das kommen sehen und auch, daß Sarani sich mit dem ökonomischen Erfolg nicht bescheiden werde. Warum Freudensprung das nicht animierte, mit seinen Ideen, die ja nicht nur schwärmerisch, sondern auch auf Neuerung aus waren, auf dem Wüstengrundstück tätig zu werden, respektierte Sarani, akzeptiert hatte er es nie. Ihm war die Doppelgesichtigkeit des Unternehmens bewußt. Man sah den wirtschaftlichen Erfolg. Ohne diesen aber wäre alles andere nicht möglich gewesen. Nur um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, hätte Sarani nicht nach Ägypten gehen müssen, hätte er in Graz bleiben können. Das Unternehmen in derWüste, dachte Sarani, war ein Experiment. Nichts war vorhersehbar, außer daß man auf Wasser stoßen werde. Er nahm alles, wie es kam, auch, in der ersten Woche, den Unmut seiner Frau, die er über alles liebte und derenthalben, hätte sie darauf bestanden, er das Wüstenabenteuer auf der Stelle abgebrochen hätte. Sie aber trachtete, ihren Unmut wenn schon nicht zu verbergen, wenigstens nicht zur Sprache zu bringen.
    Ähnlich verhielten sich die Kinder. Die beiden, Johanna war damals zehn, David zwölf, hatten ihn, den Vater, geradezu gedrängt, mit ihnen ins Ungewisse aufzubrechen, allerdings war ihnen dieses Ungewisse nicht ganz fremd. In dem Jahr, bevor sie sich für lange Zeit dort niederließen, hatte Sarani seiner Frau und den Kindern zwei Monate lang das Land gezeigt, das gegenwärtige Ägypten – die Altertümer nur nebenbei. In Hotels zu wohnen war aber etwas anderes als im Jahr darauf in einer Unterkunft in der Wüste.
    Dort lebten sie später nur in den Schulferien und am Wochenende. Montags bis donnerstags besuchten sie das Internat der amerikanischen Schule in Kairo, und daß sie schon donnerstags auf die Farm zurückkehrten, ging auf eine Regelung zurück, welche die Kinder bei den Eltern und die bei der Schulleitung durchsetzten, denn die Kinder wollten auf der Farm mithelfen.
    Sarani, so erinnerte er sich, hatte, nachdem er zum Studium nach Graz gegangen war, Ägypten achtzehn Jahre lang nicht besucht, und nach dem zweimonatigen Aufenthalt kam er mit einem Koffer voll Notizen zurück. Wieder in Graz, saß er über der Arbeit an einem Buch, das von den Reformen handeln sollte, die in Ägypten anstanden. Zum Glück rief er, vor Reformgeist glühend,einen ägyptischen Bekannten an, der in Graz lebte und der, als er von Saranis Vorhaben hörte, in ein Gelächter ausbrach, das nicht enden wollte.
    Also legte Sarani den Hörer auf und rief einen anderen Ägypter an, der ebenfalls nach Saranis ersten Worten schallend auflachte, aber nicht lange, weil er an Bronchitis litt, und der ihn schwer hustend fragte, ob er noch nie von der ägyptischen Krankheit gehört habe. So nenne man die zwanghafte Neigung derjenigen Ägypter, die im Ausland lebten und später ihr Land bereisten, ein Buch darüber zu

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